Mainzer Musiksommer 2021

Den Mainzer Musiksommer 2021 eröffnete ein Tschechisch-Deutsches Kammerorchester mit einem Konzert „Goldenes Prag“.

MAINZ. Märchenhaft waren die ersten Klänge in Dvořáks Streicherserenade E-Dur, op. 22. Mit dem hochsensiblen Aushorchen leisester Klänge eröffneten junge Streicher den Mainzer Musiksommer 2021. Zu diesem Anlass im Großen Saal des Schlosses hatte sich ein Tschechisch-Deutsches Kammerorchester zusammengefunden, aus Stipendiaten der Villa Musica und Mitgliedern der Tschechischen Kammermusik-Akademie. …weiterlesen

Happy New Ears für Unsuk Chin

„Unüberheblicher Witz“ – damit hatte Moderatorin Kerstin Schüssler-Bach ungemein treffend beschrieben, was Unsuk Chin versprüht. Der 1961 in Korea geborenen Komponistin war das jüngste Werkstattkonzert Happy New Ears des Ensemble Modern gewidmet, das als Lifestream aus dem Dachsaal der Deutschen Ensemble Akademie übertragen wurde. Unsuk Chin war dazu aus Rom zugeschaltet, wo sie derzeit als Stipendiatin in der Villa Massimo weilt. In der Nahaufnahme sah man ihre meist verschmitzt verengten Augen. Und wenn sie sie, selten, ein wenig öffnete, den Schalk darin blitzen.

Den gleichen Eindruck vermittelte ihre Musik. …weiterlesen

David Pichlmaier singt Schubert und Eggert

„Es war so befreiend, wieder miteinander zu spielen“, freute sich Manfred Bockschweiger nach dem musikalischen Lockout-Brechen im Serenaden-Konzert „Mit Pauken und Trompeten“ auf der Foyer-Terrasse des Darmstädter Staatstheaters. Beschwingt von Sonnenschein, leichter Brise und Frank Assmann an den Pauken hatte er mit seinen drei Trompeterkollegen aus dem Staatsorchester, Marina Fixle, Tobias Winbeck, und Michael Schmeissler nicht nur klassische Repräsentationsstücke vorgestellt. Sondern auch den Komponisten Willy Brandt. Nicht identisch mit dem 1913 geborenen Politiker mit gleichlautendem Pseudonym war Karl Wilhelm Brandt (1896-1923) als jugendlicher Trompeter nach Russland gegangen und hat, auch unter dem Namen Vassily Georgivich Brandt, die russische Trompeterschule bis heute geprägt. Das erste seiner Ländlichen Bilder für vier Trompeten, „In der Kirche“ beeindruckte durch gekonnte Kontrapunktik, in der sich die Stimmen eng aneinanderschmiegen und dabei doch ihre eigenen Wege gehen: ein spannungsvolles Miteinander mit harmonischen Reibungen. „Wenn Sie uns einmal wieder im Orchester sehen, sehen Sie uns mit anderen Augen“, sagte Manfred Bockschweiger.

David Pichlmaier singt „Neue Dichter lieben“ von Moritz Eggert

Im Großen Haus zelebrierten David Pichlmaier und Jan Croonenbroeck den Liederzyklus „Neue Dichter lieben“ von Moritz Eggert. Vertraute Schubert-Lieder dienten als Aperitif und Digestif und luftige Einlassregeln gaben Gelegenheit, die beiden neu geschaffenen Mittelgänge samt frisch geschreinerten Treppenstufen zu bewundern, durch die die Theaterwerkstätten den Zuschauerraum so ästhetisch wie funktionell den Abstandsgeboten angepasst haben.

Für das Auftragswerk für den Deutschen Pavillon auf der Expo 2000 hat Moritz Eggert über zwanzig Liebesgedichte des 20. Jahrhunderts zusammengetragen. Sie geben sich humorvoll bis sarkastisch: Harte Schalen, unter deren sich die Verletzlichkeit umso anrührender zeigt. Eggert gibt jedem Gedicht eine andere Klangsprache, die den Texten gerecht wird, indem sie sie noch mehr zum Schillern bringt.

Pichlmaier und Croonenbroeck hatten sichtlich Spaß an den oft geräuschnahen Klangwelten und den Elementen der Body-Perkussion, wie das „Plopp“ des aus dem aufgeblasenen Mund schnellenden Daumens.  Besonders eindrucksvoll war die Vertonung von „Sprich Scheherazade“ von Herbert Asmodi, das auch noch einmal als Zugabe erklang: abwechselnd warfen Sänger und Pianist kleine klangliche Mosaiksteine in den rhythmisch-melodischen Fluss.

Seine magnetische Wirkung verdankte der Abend vor allem dem Bariton David Pichlmaier, seinen weit ausladenden Spannungsbögen, seinem sinnlichem Umgang mit den Texten und seiner zwischen Spitzbüberei, Tief- und Hintersinn vexierenden Mimik.

DORIS KÖSTERKE
29.5.2020

 

Heißer Kulturtipp: Am Sonntag, den 14. März 2021 führen David Pichlmaier und Jan Croonenbroek den Zyklus „neue dichter lieben“ von Moritz Eggert in der einzigartigen Atmosphäre von „Otzberg vocal“ auf.

 

Matthew Herbert „in black and white“ (UA)

Gemächlich bedruckt ein Laserdrucker ein Stück Papier. Der Dirigent sieht es an, scheint ratlos. Zeigt es dem Konzertmeister. Der winkt einen Schlagzeuger herbei. Der schaut drauf, nickt, stellt sich mit Woodblocks aufs Dirigentenpult und gibt Metronom-ähnlich einen Puls vor. Bei der Uraufführung von „in black and white“ für Orchester, Drucker und Schredder von Matthew Herbert im Abschlusskonzert des cresc…-Festivals im hr-Sendesaal stand der Drucker im Zentrum des Orchesters, aus Sicht des Publikums noch vor dem Dirigentenpult. Und würgte ein Blatt nach dem anderen aus. Orchestermitglieder drängelten sich um ihn, holten Blätter ab, setzten die Vorgaben um, die darauf standen. Bald entstand ein orchestraler Groove. Und erinnert an Tanzende, die ihrer Ratlosigkeit, wie ein unerquickliches Dasein zu ändern sei, für einige Stunden in einen Club entflohen sind.

Eine Autorität, die merkwürdigerweise akzeptiert wird

„Was ist die Funktion des Druckers?“ fragte  im Einführungsgespräch vor dem Konzert die (im Programmheft leider nicht genannte) Moderatorin den Komponisten. Er sei eine Autorität, die merkwürdigerweise akzeptiert wird. Obwohl man nicht wisse, wer dahinter steht, war die Antwort des Komponisten.

Integratives Festival

Man konnte das Ganze auch als vom hr Sinfonieorchester sehr gut gemachtes Spielchen konsumieren, in dem Musiker, von ihren hochqualifizierten Ohren geleitet, Papier zerreißen und zerknüllen und sich mit Papierbällchen bewerfen. Darüber durfte man lachen, wie (andere) vor fünfzig Jahren.
In dieser Offenheit, in diesem Vexieren zwischen „Ernst“ und „August“, getragen von süffigen Rhythmen, lag das Integrative des biennalen Festivals: Es schloss auch jene nicht aus, die leicht mit ihrem Tiefgang auf Grund laufen.

Schönbergs Harmonielehre

Das Motto, HUMAN_MACHINE, ließ nicht zuletzt an Menschen denken, die wie Maschinen funktionieren. Die ihre Fähigkeit, etwas zu erkennen und entsprechend zu handeln, nicht nutzen. Auf diese Fähigkeit (im Kontrast zum „Komfort als Weltanschauung“) hebt Arnold Schönberg zu Beginn seiner „Harmonielehre“ ab. Diese wiederum war Pate der gleichnamigen, vierzig Minuten füllende Komposition von John Adams, die mit ihrer symphonischen Sauce über minimalistischer Substanz viel Beifall fand. Ebenso wie Adams‘ „Short Ride in a Fast Machine”, dem Eingangswerk des Abends: darin ließen unerwartete Passagen in der „automatischen“ Entwicklung den Adrenalinspiegel stärker hochschnellen als die Vorstellung, überholte Familienkutschen durch Fahrtwind ins Wanken zu bringen.

Gavin Bryars‘ Untergang der Titanic

Emotionaler Höhepunkt war Gavin Bryars‘ „The Sinking of the Titanic“. Nach der Information, dass die Bordkapelle noch bis zum endgültigen Versinken des Luxusdampfers weiterspielte fragte sich Bryars, wie sich die Musik wohl von unter dem Wasser anhören musste. Unter nervtötenden Wiederholungen des ewiggleichen Themas bewunderte man die Musiker, die, lose koordiniert vom Dirigenten Baldur Brönnimann, in kammermusikalischen Verbänden perfekt zusammenwirkten und die Spannung hielten. Die zugespielten Augenzeugenberichte waren kaum zu verstehen. Umso mehr konnte man sich der grenzüberschreitenden Frage stellen: Wie werden deine eigenen letzten zwanzig Minuten aussehen?

Grenzüberschreitungen sind nicht immer unproblematisch. Um der eines Corona-Virus‘ in Nähe der hr Bigband vorzubeugen, hatte der Klangkörper seinen Auftritt und die vorgesehene Uraufführung des Auftragswerks »Contre-Jour« für Bigband von Eve Risser kurzfristig abgesagt.

DORIS KÖSTERKE
7.3.20

Mitschnitte der Kompositionen von John Adams werden am 26.03., die der beiden Briten Herbert und Bryars 2020 am 09.04.20202 jeweils ab 20:04 im „Konzertsaal“ gesendet.

Zweiter Abend im „cresc…“-Festival 2020

Mit einer leibhaftig agierenden Turntable-Virtuosin lockte der zweite Abend des „cresc…“-Festival 2020, „Mensch und Maschine“, ins Frankfurt LAB. Tatsächlich hatte Shiva Feshareki, die in ihrer Auftragskomposition „Opus Infinity” selbst als Solistin wirkte, viele Menschen angezogen, die nicht zur eingeschworenen Wahlverwandtschaft des Ensemble Modern gehören. Die Uraufführung ihrer Raumkomposition für Turntables, Ensemble und eigens entwickeltes Soundsystem wurde mit reichem Beifall aufgenommen. …weiterlesen

Sich selbst die stärkste Kritikerin: Lucia Ronchetti

 

Am 18. April dieses Jahres wird im Bockenheimer Depot ihre Oper „Inferno“ uraufgeführt. Ihre von Achim Freyer in Mannheim inszenierte Oper „Esame di mezzanotte“ wurde von der Zeitschrift Opernwelt als „Uraufführung des Jahres 2015“ ausgezeichnet. Die Komponistin, Lucia Ronchetti, ist in diesem Jahr Stiftungsgastprofessorin an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK). …weiterlesen