Das zweite Klavierkonzert von Camille Saint-Saëns ist nicht eben ein Bekenntniswerk. Aber aufgeführt von Fazıl Say bekam es diese Züge: die Solo-Einleitung klang unter seinen Händen in der Mainzer Rheingoldhalle einmal nicht wie romantisierter Bach, sondern kraftvoll und klar, mit unverstelltem Blick für die Substanz.
Sein Zusammenspiel mit dem SWR Symphonieorchester war aufmerksam und achtungsvoll, seine Virtuosität frappierend, seine Bescheidenheit beeindruckend. Er hatte sich das Stück in einem Maße „zu Eigen gemacht“, dass es fast egal schien, was er spielte, weil man aus dem Wissen um sein aufrechtes politisches Engagement vor allem als Meta-Botschaft empfand: ich habe etwas zu sagen und sage es. Wer anderer Meinung ist, darf es bleiben. Seine erste Zugabe, ein effektvoll orientalisch eingefärbtes Stück Unterhaltungsmusik, war seine eigene Komposition „Black Earth“. Die zweite eine Improvisation über Mozarts „Rondo alla turca“, geistreich-witzig, mit vielen Jazz-Elementen als Bekenntnis zum musikalischen Weltbürgertum.
Vorbereitet war das Event seines Auftritts von einer passablen Interpretation von Mendelssohn Bartholdys „Sommernachtstraum“, wobei man den Eindruck hatte, dass manche musikalische Geste sich (noch) fantasievoller und sprühender hätte vermitteln können, wenn der überaus sympathische, auswendig dirigierende Däne Michael Schønwandt sich ab und an mehr Zeit genommen und darüber hinaus das Orchester mehr dazu genötigt hätte, auf ihn zu achten.
Hauptwerk des Abends war die Fünfte Sinfonie op. 50 von Schønwandts Landsmann Carl Nielsen (1865-1931), eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg und laut dem (nicht-dänischen!) Musikologen Deryck Cooke die größte Symphonie des 20. Jahrhunderts überhaupt: Schockierend das Einfallen der neben dem Orchester positionierten Militärtrommel. Dramatisch, wie die Hörner sich dagegen durchsetzen und wie das Orchester es letztlich schafft, sich über die Barbarei hinwegzusetzen. Heikel, wie es, im zweiten Teil des Werkes mit neu entstandenen Zwängen und Konflikten kämpft, um schließlich über eine vornehmlich von den Bläsern vermittelte melodische Kraft einen neuen inneren Frieden zu finden.
DORIS KÖSTERKE
08.04.2017