Ein schwebender Klang undefinierter Herkunft wurde lauter, je näher der Perkussionist seine Hand dem Fell der Pauke annäherte und schien sich zusammen mit der Hand zu entfernen. Zwischen der flachen Hand und dem Fell der Kesselpauke meinte man ihn wachsen und schrumpfen zu sehen. – „Ich wollte hier mit dem Feedback-Effekt spielen, als ob er ein selbständiges Instrument wäre“, kommentierte David Fennessy diese alle Sinne fesselnde Szene aus seiner Komposition „gut, hair, skin, air“ (2007). Im Dachsaal der Deutschen Ensemble Akademie stellte der 1976 geborene Ire einige seiner Kompositionen vor. Gemeinsam mit dem bereits am 30.5. an dieser Stelle besprochenen Vassos Nicolaou gehört David Fennessy zu den beiden diesjährigen Kompositions-Stipendiaten der Internationalen Ensemble Modern Akademie.
Fennessy interessiert sich für Gesten. Sowohl für die, die auf der Bühne sichtbar werden, als auch für die, die die Musik dem inneren Auge eingibt und die jeder Zuhörer zu einer ihm eigenen Geschichte zusammenfügt. Für jede seiner Kompositionen strebe er eine solche emotional verständliche, narrative Ebene an, sagte Fennessy. Und viele Wiederholungen, die, einem behutsam um ein Detail kreisenden Blick vergleichbar, ein Motiv, eine Phrase, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Die meiste Musik sei ihm einfach immer zu schnell vorbei, deshalb liebe er Wiederholungen.
Wenn er ein Stück schreibe, stelle er sich auch immer vor, wie es sich anfühle, es zu spielen. Dabei versuche er etwas hervorzurufen, das er, in Abgrenzung zu einer äußeren Virtuosität, als mentale Virtuosität, als Intensität beschreibt. In „dreaming is free“ (2002) für ein großes Ensemble habe er sich gefragt, was es eigentlich bedeute, mit elektronischer Verstärkung zu spielen. Mit ohnehin schon penetranten, dazu noch durchweg verstärkten Instrumenten, habe er eine Art Klangkonzentrat seines alltäglichen akustischen Umfelds zwischen massivem Verkehrslärm, einem von Zimbeln imitierten unaufhörlichem Regenprasseln und der unmittelbaren Nachbarschaft einer so unermüdlichen wie unzureichenden Klavierspielerin nachgebildet.
Von den schwellenden und sich glättenden Schwebungen, die man hört, wenn ein Klavier gestimmt wird, ist sein Stück ppp (2004) inspiriert. Über ein Zuspielband flicht es die anrührende Metaphorik der Geschichte eines Klavieres ein, das Fennessy auf einer Straße in Glasgow fand. Während die Witterung es zunehmend übler zurichtete, improvisierte Fennessy in einer Folge von Nächten auf ihm und dokumentierte dies. Thematisch eng hiermit verknüpft scheint das Werk, das an diesem Abend live von Stipendiaten-Kollegen gespielt wurde und von Erdbewegungen und tektonischen Spalten inspiriert ist: „The Fault Between Us“ (2006). Bevor und während Erdschollen sich voneinander fortbewegen, geben sie Geräusche von sich. John N. Louie, Professor für Seismologie an der University of Nevada, gab David Fennessy eine CD, für die diese Geräusche in den Bereich menschlicher Hörbarkeit transponiert wurden. Das tiefe Grollen und Wummern dieser CD bildet eine dritte Schicht in diesem Werk für zwei Klaviere und Live-Elektronik, das an diesem Abend von den Pianisten Lluïsa Espigolé und Reto Staub, sowie dem Klangregisseur Michael Nitschke zu einer packenden Aufführung gelangte. Kompositorisches Grundmaterial waren ein prägnantes Motiv und ein rhythmisches Oszillieren. Der Rhythmus dieses Oszillierens resultierte aus den Überlagerungen verschiedener Wellenfrequenzen, die wiederum von den dokumentierten Erdbewegungen abgeleitet, wenn auch nicht sklavisch übertragen waren. Der klug begrenzte Tonvorrat war aus einem wabernd resonierenden Quinten-Akkord geschöpft. Der narrative Anteil dieser Komposition bestand in der Dialektik zwischen Spannung und Nähe in einer zwischenmenschlichen Beziehung: Je größer die Spannung zwischen den sich voneinander entfernenden Klavierklängen wurde, umso stärker wurde ihre Verbundenheit fühlbar.
Doris Kösterke alias Elisabeth Risch
21.6.2007