Aufgewachsen in der klaren Bergluft des Montafon unter nationalistisch gesinnten Menschen fand Georg Friedrich Haas, dass rassistische Grausamkeit nur dadurch möglich sei, dass Mitgefühl unterdrückt wird. Eigene Gefühle zuzulassen, zu kultivieren und im Gegenüber zu erwecken wurde für ihn zur politischen Aussage. Dem 1953 in Graz geborenen Komponisten widmete das Ensemble Modern sein jüngstes Werkstattkonzert „Happy New Ears“ im Holzfoyer der Oper.
Seine Komposition Blumenwiese 2 für Schlagzeug solo beschrieb einen gefährdeten Wohlfühlort. Bei empfundenen Längen bewunderte man Rainer Römer, wie er mit Marimba-Klängen einen Gebirgsbach malte, der mal lieblich murmelte, mal bedrohlich anschwoll. Und zugleich aus Zimbeln, Gongs und anderem Gerät Blitze, Gewitter und Lawinen niedergehen oder neugierig verspielte Tiere auftreten ließ.
Im Titel lässt Haas den Anfangsschauplatz im Kinderbuch „das kleine Ich bin Ich“ von Mira Lobe anklingen. Die Ordnungszahl verweist auf eine fortzusetzende Serie von Stücken, die – Haas bekennt sich darin ausdrücklich zum Vorbild John Cage – als Solostücke, wie auch in beliebigen Kombinationen miteinander aufgeführt werden können.
In den gehämmerten Rhythmen von Anachronism (2013) schien sich Haas, im gleichen Jahr an die Columbia University berufen, mit dem New Yorker Minimal-Music-Fieber infiziert zu haben. Doch diese Rhythmen gerieten auf eine schiefe Bahn, auf der sie mikrotonal abwärts rutschten und wieder nach ober strebten wie nach oben fallender Schnürlregen, in unverändert gehämmerten Rhythmen – eine quasi aus dem Zwerchfell heraus verständliche Musiksprache, die zugleich die hohe Kunst des Komponisten wie seiner Interpreten zeigte. Im anschließenden Gespräch erzählte Sylvain Cambreling, wie in der Probenarbeit alle, die Bläser mit aufgesprungenen Lippen, an ihre konditionellen Grenzen gegangen waren und dennoch immer wieder ein Glücksgefühl erlebten, wenn aus den Noten die Musik aufschien. „Die Musik steckt nicht in den Noten, sondern in dem, was daraus entsteht“, kommentierte Haas als dickes Lob für die Musiker.
Framing erzeugt Trauer, Gewalt, Bedrohungen, Beklemmungen im Hörer. „Ich hatte immer das Bedürfnis, was zu sagen. Aber erst vor kurzem die Hemmungen davor verloren“, sagte Haas im Gespräch mit Bernhard Günther. Nachdem das Stück einmal erklungen war, kombinierte Haas es mit seinem „Monolog für Graz“. Darin verurteilt er eine Flüchtlingspolitik, die die Vorstellung von „unwertem Leben“ ebenso stillschweigend bewahrt, wie an rassistischen Grenzen festmacht.
DORIS KÖSTERKE