Maurice Steger und seine Schüler

Eine aufsteigende Folge lang ausgehaltener Töne eröffnet die vor 1630 komponierte Sonata seconda per canto solo von Giovanni Battista Fontana. Während Maurice Steger sie spielte, lauschte er aufmerksam in den Raum der Mainzer Seminarkirche hinein, in dem die von ihm hervorgebrachten Klänge ihr eigenes Leben zu führen begannen. …weiterlesen

Klangbaden in Wiesbaden – Ensemble Mattiacis

Leichtfüßige Barockklänge entführen ins Land der Elfen: Das Maskenspiel „The Fairy Queen“ von Henry Purcell (1659 – 1695), inspiriert von Shakespeares Sommernachtstraum, badet Seele und Sinne in dessen Atmosphäre. Im Rahmen der Wiesbadener Maifestspiele erlebte das zu seiner Zeit sehr erfolgreiche Werk eine begeistert gefeierte konzertante Aufführung im Wiesbadener Foyer des Staatstheaters durch das Ensemble Mattiacis. …weiterlesen

Die Kleine Kammermusik für Telemann

Ob die neue Konzertreihe Die Kleine Kammermusik mit ihrem Fokus auf das solistische und kammermusikalische Schaffen von Georg Philipp Telemann tat­sächlich eine „echte Lücke“ im Frankfurter Kulturleben schließt, wie ihre Initiatoren behaupten? Die Lokalverbundenheit der über den Crowd­funding-Wettbewerb „kulturMut“ ermöglichten Initiative – einerseits über den in Frankfurt „groß“ gewordenen Kompo­nisten, andererseits über Musiker, die „stark mit Frankfurt und miteinander“ verbunden sind, liegt in jedem Fall im Trend.

Dass hier Menschen zu Menschen gekommen waren, die sie kannten und mochten, zeigte im „Von Freundschaft und Glück“ überschriebenen ersten Konzert der Reihe in der Alten Nikolaikirche der üppige, außergewöhnlich wohlwollende Applaus, unter dem die jungen Musiker zusehends an Sicherheit und Ausstrahlung gewannen.

In der Flötensonate Nr. 2 A-Dur spürte man, wie Johannes Berger (Barockcello) und Jürgen Banholzer (Cembalo/Orgel) mit dem Solisten Christian Prader (Traversflöte) atmeten und wie insbesondere der Cellist den musikalischen Verlauf durch mutige Widerreden befeuerte. Die Sonate stammte aus den Methodischen Sonaten, die (anders als heutige Instrumentalschulen) den musi­kalischen „Liebhabern“ vor allem zeigten, wie man eine vorgegebene Melodie im barocken Sinne verziert.

Die Klammer des Konzertes bildete die in verschiedenen Folgen der Zeitschrift „Der getreue Music-Meister“ erschienene Cello­sonate in D-Dur. Weil die Sonate in lockerer Folge er­schie­nen war, verteilte auch Johannes Berger sie über das gesamte Konzert, jeweils als Vor­spiel zu den von Verena Gropper (Sopran) gesungenen Kanta­ten und Opernarien. Das Erscheinen in Fortsetzungen gab musikalischen Liebhabern die Möglichkeit, einen Satz nach dem anderen zu üben. Telemanns Vorteil lag darin, dass die „Sammler“ seiner Sonate der Zeitschrift zumindest für einige Nummern als Kunden treu blieben.

Noch ohne Ablenkung durch Online-Spiele erreichten die „Dilettanten“ oft ein erstaunliches Niveau, zumal sie sich dem Instrumentalspiel mit allen bürgerli­chen Tugenden, wie Ausdauer, Fleiß und Redlichkeit widmeten, denen Telemann – nicht ohne Augenzwinkern – seine Morali­schen Kantaten gewidmet hat, von denen Verena Gropper einige sang.

Die Zugabe, das Da Capo der Arie „Komm, oh Schlaf“ aus der Oper „Germanicus“, sang Verena Gropper auswendig. Mit freien Bli­cken ins Publikum vermittelte sie endlich auch das Augenzwinkern in Telemanns Musik. Endlich warmgesungen und spielerisch frei nahm sie restlos für sich ein.

DORIS KÖSTERKE

6.6.18

Ensemble Nevermind in der Alten Oper

Barockmusik und Fiddle-Weisen

In fast allen Kulturen der Welt – nicht nur im Jazz – wird Musik improvisiert. Der detaillierte Notentext ist ein Sonderfall und zugleich der Grund, warum „klassische“ Musik bisweilen als leblos empfunden wird: Wo er nicht von der gesamten Persönlichkeit eines Interpreten „wiederbelebt“ wird, führt er bestenfalls zu einem netten Konversationsklang. Doch die vier jungen Musiker des Ensemble Nevermind wollen mehr. Der Fokus des Ensembles, das sich in Paris am Conservatoire National Supérieur de Musique zusammengefunden hat und im jüngsten der Bachkonzerte im Mozart Saal zu Gast war, liegt in der Barockmusik. Aber die quirlige „Frontfrau“ Anna Besson flötet auch Uraufführungen, Cembalist Jean Rondeau ist auch als Jazzer aktiv und die beiden Streicher, Geiger Louis Creac’h und Gambist Robin Pharo, zeigen eine hohe Affinität zum Fiddlen.

Doch erst gab es Barockmusik: ein mit viel Spielwitz aufbereitetes Viertes aus Telemanns Neuen Pariser Quartetten und eine etwas unterschätzt daher plätschernde Sonate von Bach (BWV 529). Doch schon bauten zwei von britischer Volksmusik inspirierte Kompositionen von Francesco Geminiani die Brücke zur keltischen Folklore: Der 1687 in Lucca geborene, 1762 in Dublin gestorbene Geiger (im offensichtlich zu schnell geschriebenen Programmtext gab es noch mehr Fehler) wirkte ab 1714 in London, später in Irland. Unter anderem schrieb er eine Violinschule mit Richtlinien, wie man die gleichsam als „Gerippe“ notierten Barockmusiken mit improvisierten Diminutionen zu füllen habe. Von Geminiani war es nur ein kleiner Schritt zu den vom Publikum begeistert beklatschten, vom Nevermind-Cembalisten Jean Rondeau arrangierten Improvisiationen über Port na bPucai und On yonder Hill There Sits a Hare. Improvisationen über das La Folía-Thema, der wohl populärsten psychedelischen Droge der Musikgeschichte, führten wieder zu barocken Kompositionen zurück: Zum Sechsten aus den Neuen Pariser Quartetten von Telemann und zu einer weiteren Triosonate von Bach (BWV 1039). Auch hier schien die virtuose Musikantik noch über manches sinnstiftende hinweg zu huschen. Doch das Gesamtkonzept blieb erfrischend.

DORIS KÖSTERKE