Humor als treibende Kraft bei HK Gruber

 

Wie fängt man an? Das Schreiben eines Musikstücks stellt vor das gleiche Problem, wie ein Versuch, die Welt zu verbessern. In einer solchen Lage erinnerte sich der 1977 geborene österreichische Komponist Bernd Richard Deutsch an einen Rat von Helmut Lachenmann: Hör auf deine Umwelt und setz sie in Musik!

HK Gruber dirigiert Bernd Richard Deutsch

Deutsch hörte vor allem auf seinen Hund: der Komposition ›Mad Dog‹ (2011) nach zu urteilen ein lebhaftes Exemplar mit ungebrochenem Selbstbewusstsein. Das musikalische Abbild seiner Sprünge und Glissandi und der sich beständig ändernden Rhythmen seiner Atemgeräusche ließ unwillkürlich schmunzeln.

HK Gruber dirigiert HK Gruber

Humor scheint auch eine treibende Kraft von H(einz) K(arl) Gruber, unter anderem Kontrabassist, Hornist, Komponist und Kabarettist. Er dirigierte das Ensemble Modern im Mozart Saal in dieser Deutschen Erstaufführung und danach in zwei eigenen Werken: Als jemand, der genau weiß, was die hervorragenden Musiker auch ohne ihn schaffen und wo eine gezielte Geste sinnvoll ist, mit minimalistischen, unorthodox wirkungsvollen Bewegungen.

Eva Böcker spielt das Yo-Yo Ma gewidmete Cellokonzert

Ensemble-Modern-Cellistin Eva Böcker war Solistin in dem Cellokonzert von HK Gruber, geschrieben 1989 für Yo-Yo Ma. Ihrem kraftvoll zielsicherem Spiel schenkte man auch da vollstes Vertrauen, als sie den von HK Gruber im Einführungsgespräch so genannten „Fall des Ikarus“ aus den Höhen jenseits des Griffbretts auf die obertonreich vibrierende leere C-Saite vollzog.

In „Zeitfluren“ (2001) trieb der erfrischend querköpfige Wiener, am 3. Januar dieses Jahres fünfundsiebzig geworden, seinen charmant-subtilen Schabernack mit Idiomen von feinen Klangflächen zu fettem Bigband-Sound.

HK Gruber als Chansonnier

In drei Zugaben von Kurt Weill, dem „Lied von der belebenden Wirkung des Geldes“, dem „Klopslied“ und schließlich, begleitet von Ueli Wiget am Flügel, in der Seifenwerbung „Langsamer Fox und Algi Song“ (1920/21), betätigte sich der ehemalige Wiener Sängerknabe als (auf sein Notenblatt fixierter) Chansonnier und brachte einen großen Teil des Saales zum Toben.

DORIS KÖSTERKE
09.03.2018

Christoph Eschenbach präsentiert Junge Solisten

Kian Soltani, Stephen Waarts,

Bruno Philippe, William Hagen

Erwachsenen war der Eintritt zum ersten Konzert des Kronberg Academy Festival 2017 nur in Begleitung eines Kindes gestattet. Fürsorglich nahmen die Jungen sich der Alten an und schalteten für das von Christoph Eschenbach geleitete Konzert mit dem hr-Sinfonieorchester im Großen Saal der Alten Oper sogar ihre mobilen digitalen Endgeräte aus. Rund dreißig Minuten Online-Entzug mündeten in aufrichtig begeisterten und herzlichen Applaus für den 1992 in Österreich geborenen Kian Soltani, denn er hatte das etwas lebensmüde Cellokonzert von Edward Elgar „echt saftig“ gespielt. Nach Brahms‘ Violinkonzert, also fast fünfzig Minuten Offline-Sein, hagelte es frenetische Bravos für den 1996 in den USA geborenen Geiger Stephen Waarts, vor allem für seinen temperamentvoll zupackend gespielten Finalsatz.

Das zweite Konzert „Christoph Eschenbach präsentiert Junge Solisten“ durften große Leute auch ohne Aufsicht von Kindern besuchen und sich in Haydns Cellokonzert C-Dur (Hob VIIb:1) vorbehaltlos für Bruno Philippe begeistern: Denn dass seine Kadenzen bisweilen intonatorisch leicht freizügig gerieten, verzieh man ihm gern angesichts dieser emotional und energetisch ungemein stimmigen Interpretation. Von fein eingefädelten Höhen bis in die geschmeidigen Tiefen hinein ließ der 1993 im südfranzösischen Perpignan Geborene das leicht ansprechende Tononi-Cello aussingen. Selten beobachtet man einen so intensiven Dialog zwischen Solist und Orchester. Vergleichsweise sehr groß besetzt reagierte es mit enorm zartem Klang. Behutsam einfühlend nahm es die Impulse des Solisten auf und trug sie weiter, im langsamen Mittelsatz wie andächtig, in den Ecksätzen mit lustvoller Musikantik, Geist und Witz.

Im Vergleich dazu wirkte das sich anschließende Konzert D-Dur für Violine und Orchester op. 35, mit dem Erich Wolfgang Korngold (1897–1957), nach einer frühen Karriere als von Gustav Mahler gefördertes Wunderkind und einer weiteren in Hollywood als Filmkomponist, versucht hatte, wieder die Kurve in das „Ernste“ europäische Konzertleben zu kriegen, primär wie eine Geigen-Zirkusnummer. Der 1992 in Salt Lake City geborene William Hagen brillierte darin virtuos, mit aufs Sauberste intonierten, ungemein klangschönen Höhen der circa 1675 in Cremona von Andrea Guarneri gebauten Violine.

Das von Arnold Schönberg orchestrierte Erste Klavierquartett von Johannes Brahms gelang dem Orchester so durchhörbar, dass man jeden wieder völlig neuen Gedanken als konsequent aus dem Material des Vorangegangenen entwickelt wahrnahm: Ungeachtet des zunächst bedauerten Schmalz-Verzichts ein echter Leckerbissen.

DORIS KÖSTERKE