Dies sei ein besonders guter Jahrgang, raunt man in Kennerkreisen und meint die aktuellen Stipendiaten der Ensemble Modern Akademie (IEMA 2018/19). …weiterlesen
Christopher Trapani
Einmal häuten, bitte!
Umbrations
Abonnementkonzert des Ensemble Modern im Mozart Saal
Das Farbenspiel Roms: Leuchtende Fassaden, dunkle Höfe, bunte Gassen, mosaizierte Fußböden, invasive „neongrüne Papageien“ und mittagsmüdes Verblassen in gleißendem Licht. In seiner Komposition PolychROME (2017) hat es der amerikanische Komponist Christopher Trapani (*1980) in Klänge übersetzt, die im Abonnementkonzert des Ensemble Modern im Mozart Saal zu hören waren: reizvoll schattierte Klang-Geräusch-Leinwände für Fernweh-Fantasien. Der Schluss aus schrillenden Piccolo-, Oboen- und Flageolett-Tönen ließ jedoch weniger an Sonnenlicht als an den Feuerball einer Atomexplosion denken.
In „Die Häutung des Himmels“ von Martin Grütter antwortete ein Fernschlagzeug wie ein orakelndes Echo vom hinteren Balkon auf die Aktionen auf der Bühne. Oft markierten seine Aktionen, wie etwa seine Singende Säge oder ein gegeigtes Becken, den Eintritt in neue Klangwelten. Im Einführungsgespräch mit Christian Fausch hatte Grütter von der Annäherung an einen verbal nicht fassbaren Sehnsuchtsort gesprochen. Er zeigte sich am Schluss in einem einfachen Gitarren-Arpeggio, das man, nachdem das Stück durchschritten war, als pure Wohltat erlebte.
Seine „Umbrations“ seien kein geschlossener Zyklus, stellte Brian Ferneyhough (*1943) im Einführungsgespräch klar. Alle der mittlerweile elf über mehr als 15 Jahre hinweg entstandenen Stücke reiben sich an geistlichen Kompositionen des elisabethanischen Komponisten Christopher Tye (16. Jahrhundert) und lassen dessen pastellfarbene Klangwelt durch das komplexistische Dickicht der Klangsprache Ferneyhoughs blinzeln. Die Besetzung reicht vom Solocello (Lukas Fels interpretierte das erst in diesem Jahr entstandene „In Nomine“ so überzeugend, als hätte er es selbst geschrieben) zum zwölfköpfigen Ensemble. Einen Binnenrahmen bildeten an diesem Abend die vier Sätze „Dum transisset“, die das (seit stolzen elf Jahren in der Besetzung dieses Abends spielende) Arditti Quartett in all ihrer Vielgestaltigkeit auslotete. Dirigent Brad Lubman dirigierte nur die groß besetzten Teile mit klaren, mitunter lautmalenden Bewegungen.
Viele verschiedene Klangwelten vom kaum hörbaren Flageolett-Zwitschern zur Gamelan-ähnlichen Mixtur mit Kettledrum und Klavier und enorm tapfere Interpreten entließen mit einer großen Sehnsucht nach geläutert klaren Strukturen, die eher locken als überschwemmen. (Wie wäre es mit einem Kompositionsauftrag an Herrn Grütter für ein Häutungswerk über Ferneyhough?)
DORIS KÖSTERKE