Gute Konzerte haben einen Nachhall. Nach dem Konzert des Bratschers Antoine Tamestit und des Cembalisten Masato Suzuki im Mozart Saal bei der Frankfurter Bachgesellschaft war dies kein plumper Ohrwurm. Sondern eine zarte Atmosphäre liebevoller Achtsamkeit.
Im Mittelpunkt des Programms standen Bachs drei Sonaten für Viola da gamba und Cembalo, die Tamestit für die Bratsche eingerichtet hatte. Launig beschrieb Masato Suzuki seinem Publikum die Stücke als Triosonaten, in denen die linke wie die rechte Hand des Cembalisten jeweils genauso viel zu sagen hätten, wie die Bratsche. In der ersten Sonate für Viola da gamba und Cembalo Nr. 1 G-Dur BWV 1027 schien der Klang der Bratsche noch ein wenig dominant. Doch Tamestit öffnete mit Gesten und demonstrativer Zurücknahme immer wieder Fenster zu seinen Musizierpartnern, den beiden Händen von Masato Suzuki, der in der Französischen Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816 auch allein zu hören war: In deren Allemande wusste er höchst einschmeichelnd auf dem Cembalo zu „singen“, während er die Schlusskadenzen jeweils so gestaltete, dass man neben Tanzschritten auch Verbeugungen zu hören meinte.
Auch Tamestit ließ sich allein hören, in einer eigenen Bearbeitung von Bachs Zweiter Cellosuite (BWV 1008). Besonders in den schnellen Sätzen, die auf dem wesentlich kleineren Instrument entsprechend wendiger und geschmeidiger klingen, als auf dem Cello (gegen das hier auf keinen Fall auch nur das Geringste gesagt werden soll!) festigte sich ein Eindruck, den bereits Nils Mönkemeyer untermauert hat: dass Bach diese Suiten vielleicht gar nicht für das Violoncello reserviert hat, sondern für sein eigenes Lieblingselement, die Bratsche.
Das Vorbild für seine Art der Klanggebung, erzählte Tamestit während des Konzerts, sei der Film „Tous les matins du monde“ von Pascal Quignard über Marin Marais als Gambenspieler. Das Ideal äußerst edler Transparenz und Zerbrechlichkeit erlebte man in den beiden verbleibenden Gambensonaten, Nr. 3 g-Moll BWV 1029 und Nr. 2 D-Dur BWV 1028, einer einzigen Feier der wechselseitigen Aufmerksamkeit der „drei“ Spieler füreinander.
Der Abend bewies, dass es einer reichen musikalischen Substanz wenig Abbruch tut, wenn hie und da ein Ton oktaviert werden muss, weil der Tonraum der Gambe tiefer reicht, als der der Bratsche. Die Stücke zu transponieren (was oft schamlos tut, wer Bachs Cellosuiten etwa auf der Gitarre spielt) kam für Tamestit nicht in Frage: Für ihn ist jede Tonart mit ihren eigenen Bildern und Farben verbunden. Ein wenig von dieser Sensibilität konnte er an diesem Abend vermitteln, als großes Geschenk an seine Zuhörer.
DORIS KÖSTERKE
25.10.2019
Vom Auftraggeber nicht gedruckt.