Schauspielerische Leidenschaft nährt sich aus realen Gefühlen. In Leoncavallos „Bajazzo“ verschwimmen die Grenzen, bis es Tote gibt. Doch auch in der von besonderer Leidenschaft getragenen Inszenierung der Kammeroper Frankfurt wurden die Toten zum Schlussapplaus wieder lebendig. Zumal er im schönsten Opernhaus Frankfurts, unter freiem Sommerhimmel vor dem Musikpavillon im Palmengarten, besonders herzlich und dankbar prasselte.
Der Bajazzo-Aufführung vorangegangen war eine frisch ausgegrabene Rarität, „Der Impresario von den Kanaren“ von Domenico Sarro (1724). Auch hier geht es um Theaterwelt von innen, um die Hoffnung einer Sängerin auf ein Auskommen, sowie um einen Mann, der ihre Not für sich ausnutzen will. Das Libretto stammt von Pietro Metastasio.
Schauplatz in beiden Stücken ist eine von Frank Keller und Mateo Vilagrasa mit stilechten Details ausgestattete italienische Bar: Im Bajazzo bildet sie die Kulisse für die ländliche Theateraufführung, im „Impresario“ scheint sie das Zuhause der Sängerin (quirlig: Ingrid El Sigai), die mit dem Singen schon völlig aus der Übung gekommen ist, als ein Impresario (phänomenal textverständlich: Thomas Peter) sich bei ihr angemeldet hat. Sie hat sich in Schale geworfen und tyrannisiert den Barista (mit souveränem Charme: Harald Mathes) mit ihrem Lampenfieber, das angesichts der Person, die bald hereingestolpert kommt, nicht hätte sein müssen.
Der (vermeintliche) Impresario hat den Vertrag bereits blanko unterschrieben, aufsetzen darf die Sängerin ihn nach Belieben, was ihr unter beharrlichem Abwehren seiner Versuchen, unter ihre Wäsche zu gelangen, auch gelingt: Ausschließlich Prima-Donna-Rollen bei saftiger Gage und dazu einen beständig hohen Vorrat an Kaffee, Eis und Schokolade. Ersten Konfliktstoff bietet ihre Forderung, die Librettos ausschließlich von Freunden schreiben zu lassen, denn der (vermeintliche) Impresario komponiert nicht nur selbst aufs Dilettantischste, sondern würde sich auch gern selbst als Stückeschreiber profilieren. Letztlich entflieht die Sängerin der Begegnung. Aber vorher erteilt sie dem Zudringling noch eine schallende Ohrfeige.
Unter wie schwierigen akustischen Bedingungen hier gearbeitet wird, begann man zu ahnen, als es im wacker agierenden, von George Jackson geleiteten Orchester zu unbeabsichtigten Parallelgängen kam.
Beide Inszenierungen (Rainer Pudenz) nehmen vor allem deshalb für sich ein, weil sie so unernst sind. Herrlich überzeichnet etwa die sichtbar gemachten erotischen Spannungszustände zwischen den Liebenden (Andrea Jörg als Nedda und Giancarlo Paola als Peppe im Bajazzo).
Gelungen auch der Intermezzo-artige Auftritt von Giancarlo Paola als Gitarrenspieler, der Lieder von Totó und Kanzonetten trällert.
DORIS KÖSTERKE
21.07.2018