CONNECT – Das Publikum als Künstler

Ensemble Modern und sein Publikum spielt Werke von Huang Ruo und Christian Mason im Frankfurt LAB

Das Publikum als Künstler? Auch musikalisch Ungebildete konnten in Kompositionen von Huang Ruo (*1976) und Christian Mason (*1984) mitwirken und sich in einem Workshop darauf vorbereiten. Den Uraufführungen mit der London Sinfonietta folgten die Deutschen Erstaufführungen im Frankfurt Lab mit dem Ensemble Modern. In ihrem europaweiten, wissenschaftlich begleiteten Projekt will die Art Mentor Foundation Lucerne Laien die zeitgenössische Musik schmackhaft machen.

The Sonic Great Wall nannte Huang Ruo sein klingendes Theater für 13 Musiker und Zuhörer. In der vom Publikum gesäumten Hallenmitte erinnerte ein Arrangement aus über Gänge verbundenen Mini-Bühnen an das Bollwerk des chinesischen Kaiserreichs. Die „Bewehrung“ der Gänge zwischen den „Wachtürmen“ bestand aus Workshopteilnehmern, die nach Anweisung des Komponisten Teile aus Gedichten zu flüstern hatten.

Der Rest des Publikums wurde vom Komponisten zu einer Summ-Meditation animiert. Aus der Ruhe heraus sollte man verfolgen, wie auf einer der Wachturm-Klanginseln ein akustisches Feuer entzündet wurde, wie die Musiker der einen der nächsten zu Hilfe eilten, dabei die Workshop-Teilnehmer mit Gesten zum lauterem oder leiserem Flüstern herausfordernd. Als der dramatische Angriff abgewehrt war, erloschen Lichter und Aktionen. Von Schlagzeugschlägen gelenkt fand der eigene Herzschlag zur Ruhe und der Komponist animierte wieder zum Summen, bis zur Stille nach dem Stück, die leider allzu schnell vom Beifall zertrümmert wurde.

Für sein ›In the Midst of the Sonorous Islands‹ hatte Christian Mason die Workshop-Teilnehmer zum Blasen auf Flaschen oder Mundharmonikas, sowie zum Schwenken klingender Qi-Gong-Kugeln angeleitet. Die übrigen Zuhörer sollten entweder ganz leise mit Alufolie knistern („Das ist mir noch immer viel zu laut!“) oder im selbstgewählten Rhythmus („Irgendwas zwischen eins und zehn – aber bitte durchhalten!“) leise rasselnde Ketten in ihre Handfläche gleiten lassen. Man musste aufmerksam in das Ensemble hineinhören und –sehen: Sobald Schlagzeuger Rainer Römer das Donnerbleck anschlug, wurde es vom Alufolieknistern schattiert. Dem Beckenschlag folgten rasselnde Ketten, den gegeigten Vibraphonstäben das Tönen der Flaschen und so weiter. Das Signal der Pauke setzte den jeweiligen Aktionen ein Ende. Wer Klänge erzeugt, hört sorgfältiger auf die anderen, meint Mason. Nur war man oft zu sehr mit der Konzentration auf den eigenen Einsatz beschäftigt, um noch angemessen den Rest der Musik zu verfolgen.

Workshop-Teilnehmer äußerten sich enthusiastisch über ihre Erlebnisse. Wohl auch, weil sie in mehreren Übungs-Durchgängen wesentlich tiefer in die gespielten Stücke eindringen konnten, als das Publikum bei einmaligem Hören.

DORIS KÖSTERKE