Die rund vierzig jungen Musiker der Cuban-European Youth Academy füllten die Basilika von Kloster Eberbach mit sprühender Lebensfreude. Mit spürbarer Lust an der Musik und aneinander folgten sie den Impulsen von Enrico Onofri und den Musikern aus dem Balthasar-Neumann-Ensemble, die in ihren Reihen mitspielten.
Knapp die Hälfte von ihnen studiert Musik in Havanna. Die anderen am Orchesterzentrum NRW in Dortmund. Über rund ein Jahr verteilt hatten sie an ihrem Studienort mit Barock-Spezialisten aus dem Balthasar-Neumann-Ensemble zusammengearbeitet. In einer gemeinsamen Woche in Dortmund haben alle miteinander gelebt, geprobt und sich dabei auch mit kubanischer Musik beschäftigt, mit ihren Rhythmen, Improvisationspraktiken und ganz offensichtlich auch mit ihrem Lebensgefühl: eine bedingungslose Hingabe an den jeweiligen Augenblick durchpulste das Konzert, als wundervolles Mittel gegen „German Angst“.
In Arcangelo Corellis Concerto grosso D-Dur Nr. 1 op. 6 stand Enrico Onofri mit seiner Geige mitten im Orchester und dirigierte die, die ihn sehen konnten, mit Blicken, die anderen, etwa den Theorbisten, der unmittelbar vor ihm saß, über Energieströme. Vivaldis Concerto „Per l’Orchestra di Dresda“ RV 577 leitete er als Solist. Im rasanten Finalsatz meinte man an diesem Abend nicht zum letzten Mal, die Bodenhaftung zu verlieren. Geistesgegenwärtig formten die jungen Musiker die überraschenden Pausen, in denen Hörer ihre eigene innere Bewegung empfinden können, um kurz vor dem schwindelnden Verlust der Fassung vom Fortgang der Musik aufgefangen und weitergetragen zu werden.
In einer gut kombinierten Auswahl aus Händels „Wassermusik“-Suiten verrieten klappernde Einsätze, dass auch die Musiker von Onofris Impulsen bisweilen überrascht waren, die er nun vom Dirigierpult aus gab. Es schien, als dachte Onofri zu sehr als Geiger und nicht an die Zeit, die Horn-Töne brauchen, um sich zu entwickeln. Andererseits schuf gerade diese Spontaneität jene gesteigerte Wachheit, die das Konzert zu etwas ganz Besonderem machte.
Einen Ehrenplatz im Programm hatte das „Villacico“ für Barockensemble und Sänger des kubanischen Barockkomponisten Esteban Salas y Castro (1725-1803), das europäische Fugentechnik und Phrasierungen mit kubanischen Rhythmen kombiniert. Als ein Ausschnitt daraus noch einmal als Zugabe erklang, klatschten die dafür nicht gebrauchten Bratscher den Rhythmus der Perkussionsinstrumente mit. Die beredten Pausen der zweiten Zugabe, Rameaus Chaconne aus „Dardanus“, schienen auf Besucher gemünzt, die, auf der Jagd nach Gelegenheit zu frühestmöglicher Heimfahrt, unverhohlen vor der Bühne nach draußen drängten. Dieses Verhalten hatten diese Musiker nicht verdient. Sie agierten wie Profis. Nur frischer, wagemutiger und freudiger.
DORIS KÖSTERKE