Das Tollste an Felix Koch

Felix Koch und sein Neumeyer Consort

Das Tollste an Felix Koch sind seine Phrasierungen: Wenn Musiker ihre Hände einfach laufen lassen, um den Notentext best- und schnellstmöglich zu reproduzieren, dient das bestenfalls einer angenehmen Berieselung der Zuhörer. Aber Felix Koch „singt“ die Noten auf seinem Cello, mit dem Bogen „atmend“, wie einer, der etwas Spannendes erzählt. Mit diesem kleingliedrigen Atemrhythmus übernimmt man als Zuhörer unwillkürlich die innere Erregung des Erzählenden. Man denkt mit, entwickelt Erwartungshaltungen, die erfüllt, getäuscht oder übertroffen werden. Im jüngsten Konzert im Holzhausenschlösschen mit kammermusikalischen Sinfonien und Kantaten von Georg Philipp Telemann, das die Veranstaltungsreihe der Frankfurter Bürgerstiftung zum 250. Todestag des Komponisten eröffnete, übertrug sich diese Haltung auch auf fast alle seiner Mitspieler, allen voran auf die beiden Bläser, Sophie Roth (Traversflöte) und Johannes Herres (Blockflöte), während man bei der Sopranistin Jasmin Hörner im Rezitativ der Kantate zum Sonntag „Rogate“ aus Telemanns Hausmusik-Zyklus „Der Harmonische Gottesdienst“ dachte: wenn sie mehr Mut zu dramaturgisch wirksamen Pausen aufbrächte, um (frei nach Morton Feldman: ) einer musikalischen Sinneinheit die nötige Zeit zu lassen, um von der Bühne in die Fantasie der Zuhörenden zu finden, dann wäre es noch besser!

In eingestreuten Plaudereien ließ Felix Koch den diplomatischen Telemann aufscheinen, wie ihn die von Dr. Ann Barbara Kersting-Meuleman aus Beständen der Universitätsbibliothek zusammengetragene Ausstellung „Die Stadt als musikalisches Netzwerk“ bestaunen lässt, die noch bis zum 17. November im Holzhausenschlösschen zu sehen ist: Im Collegium musicum ermunterte der städtische Musikdirektor und Kapellmeister zweier Kirchen die Frankfurter Bürger, sich im angeleiteten Selbststudium die musikalischen Neuerungen ihrer Zeit, unter anderem die barocke Oper, anzueignen. In Personalunion lieferte der fruchtbare Komponist im Selbstverlag herausgegebenes Notenfutter für gesellige Hausmusik.

Indem Koch vor jeder der Kantaten die Ohren für Telemanns musikalische Textausdeutung spitzte, etwa für die Darstellung von Ewigem Leben in unstrukturierbaren Sechzehntel-Ketten, machte er Appetit auf das noch bis Samstag im Holzhausenschlösschen stattfindende internationale Symposion „Der Komponist als Chronist: Telemanns Gelegenheitsmusik als musikalisches Tagebuch“, das bei freiem Eintritt ein Stück Verflechtung von Musik und Zeitgeschehen verfolgen lässt, das sich möglicherweise nicht auf die Textauswahl beschränkt, sondern in die Musik hineinstrahlt.

Näheres: http://telemann.info.

DORIS KÖSTERKE