Frankfurt – Auf gekonnte Weise unkonventionell begegnete das ensemble reflektor in der Naxoshalle. Auf Einladung der Alten Oper gastierten die jungen Musiker in der neuer Reihe „Auswärtsspiel“, wo früher Schmirgelpapier und Schleifmaschinen hergestellt wurden und heute Texte und Töne geschliffen werden, wie Theatermacher Willy Praml als Hausherr sinngemäß zur Begrüßung sagte. In Norddeutschland sehr bekannt erobere das Ensemble nun „den Rest der Republik im Sturm“, stellte Markus Fein als Intendant der Alten Oper den selbstverwalteten Klangkörper vor, für dessen mehr als vierzigköpfige Besetzung die Bezeichnung „Ensemble“ reichlich untertrieben wirkte.
In der immerhin windgeschützten Naxoshalle lagen für Besucher wärmende Decken bereit, während mancher der zum großen Teil weiblichen Musiker – „dresscode: black“ schien die einzige Formalie – die Flötistin um ihre schwarze Daunenjacke beneidet haben mag.
Schlagabtausch über zwei Jahrhunderte
Für ihr „eclipse“ betiteltes Programm verschränkte das ensemble reflektor Teile aus zwei von Shakespeare inspirierten Schauspielmusiken, Mendelssohns „Sommernachtstraum“ und „The Fairy Queen“ von Henry Purcell. Auf Mendelssohns Ouvertüre folgten etwa Prelude und Hornpipe von Purcell, darauf Scherzo und Intermezzo von Mendelssohn, bevor ein Da Capo von Purcells Hornpipe und sein Prelude zum 5. Akt dem Notturno von Mendelssohn mit seinen traumhaften Hornsoli vorangingen. Alle Sätze gingen attacca ineinander über und lieferten sich so einen Schlagabtausch über die Jahrhunderte: formal festgefügt die barocken, entwicklungsbetont die romantischen, beide auf ihre Art überaus bildhaft.
Zweite Sinfonie in e-Moll (1845/46) von Emilie Mayer
Wiederum ohne geplantes Absetzen schloss sich die dramatische Zweite Sinfonie in e-Moll (1845/46) von Emilie Mayer (1812-1883) an. Mayer war eine zu ihrer Zeit dermaßen bekannte Komponistin, dass man sie der „weibliche Beethoven“ nannte. Eine Erbschaft hatte ihr ein sechsjähriges privates Kompositionsstudium bei Carl Loewe, später bei Adolph Bernhard Marx und viele ausgedehnte Konzertreisen ermöglicht. Ihre Musiksprache wirkt gekonnt, keineswegs trivial, aber doch auch ein wenig so, als sei die Zeitgenossin Mendelsohns eher in der Mitte des von Purcell und Mendelssohn exponierten Spannungsfelds angesiedelt.
Im Orchesterverband gefielen neben den Bläsern vor allem die fünf Celli mit ihrer Einigkeit im äußersten Pianissimo wie in ihren mächtig kraftvollen, musikalisch sinngebenden Impulsen.
Was diese jungen Musiker spielten, war das Eine, wie sie es spielten das ganz Besondere: da gab es keinen Leerlauf, keine Automatismen, keine füllstimmenhaften Spielfiguren. Da schien jede einzelne Note, jedes Motiv, jeder thematische Bogen gründlich entstaubt, befragt und mit frischer Energie aufgeladen. Nach einer Phase der Zusammenarbeit mit diesen Musikern habe sie immer genug Energie für den Rest des Jahres, sagte Dirigentin Holly Hyun Choe ihrem Publikum nach dem Konzert. Treffender lässt dieses junge Orchester kaum beschreiben.
DORIS KÖSTERKE
7.4.2022