Das lebende Gesamtkunstwerk Hille Perl verströmte sein Charisma: im leidenschaftlich drängenden, packenden Ausdruck, in sanft fließend untermalendem Schönklang, in technisch sicher fundierter Virtuosität. Ihre Beiträge zu Händels frühen Kantaten fesselten die Aufmerksamkeit oft weit mehr als die Singstimme von Dorothee Mields. Die oft zu tiefe Intonation der Sängerin machte die Schwierigkeiten bewusst, mit denen sie in diesem Konzert „Händel in Rom“ beim Mainzer Musiksommer zu kämpfen hatte: zur klanglichen Orientierung hatte sie nur die rasch verklingenden Lautentöne von Lee Santana. Hille Perls Gambe war eher Gesprächspartnerin, die schwieg, wenn die Sängerin etwas zu sagen hatte. Die ohnehin schwierige Akustik der Mainzer Seminarkirche machte es ihr nicht leichter.
Ergänzend zu Kantaten des noch blutjungen Händel erklangen barocke Sonaten für Gambe und basso continuo. Allein von der Laute gespielt, ohne Unterstützung von Fagott oder Violoncello, bildete der Generalbass hier keinen echten Widerpart zur Gambenstimme. Hinzu kam, dass Hille Perl auf ihrem Instrument singt, ohne zu atmen. Phrasenanfang und Phrasenende verschwimmen ebenso, wie notiertes Gerüst und improvisiertes Verzierungswerk. Das macht es jedem Begleiter schwer. Auch einem wacheren und engagierteren als Lee Santana, der an diesem Abend über seinen Noten brütete, als wolle er am liebsten seine Ruhe haben. Von zwei sich auf Augenhöhe herausfordernden Musizierpartnern gespielt hätten die frenetisch beklatschten Folies d’Espagne von Marin Marais noch berauschender geklungen.
In Händels „La Lucrezia“ gelang es Dorothee Mields, ihre schönen Töne mit Text und Gehalt zu verschmelzen. Die Kantate handelt von der stolzen Römerin, die von einem Sohn des Tyrannen vergewaltigt wurde. Sie sinnt auf Rache. Dich diese Welt bietet ihr keine geeignete Möglichkeit dafür. So bringt sie sich selbst um. Als Furie in der Hölle, hofft sie, wird sie sich an ihrem Schänder rächen können.
Gelungenster Teil des Abends war die Zugabe: In der Arie „Col partir la bella Clori“ aus Händels Kantate „Ah! che pur troppo è vero“ gaben langsames Tempo samt Nachhall allen Beteiligten Gelegenheit, ihre Töne im gemeinsamen Klangbild einzuordnen und zu formen.
DORIS KÖSTERKE
16.8.2018