Daniel Müller-Schott seziert Bachs Cello-Suiten

 

Einen guten Wein lässt man nicht einfach durch die Kehle rinnen. War das die Botschaft, die Daniel Müller-Schott im jüngsten der Frankfurter Bachkonzerte im Mozart Saal vermitteln wollte? Bachs oft so süffig und tanzfreudig gespielten Cello-Suiten wirkten bei ihm wie auf der Suche nach Unerhörtem gegen den Strich gebürstet. Eine herzhaft süffige Musikantik erlaubte sich Müller-Schott erst in den derben Folklorismen der Gigue der dritten Suite, die das Konzert beschloss.

Bachs Cello-Suiten gegen den Strich gebürstet

Das Präludium der Ersten (BWV 1007) begann er wie beiläufig referierend, um darauf, einem Haydnschen Paukenschlag nicht unähnlich, eine einzelne Note extrem zu dehnen. Statt diesen Hinweis wie eine Erleuchtung aufzunehmen fragte man sich, ob diese Note dieser Hervorhebung denn bedurft hätte. Starke Temposchwankungen und Lautstärke-Unterschiede wiesen darauf hin, dass Müller-Schott den Notentext auch noch im Augenblick des Zum-Klingen-Bringens hinterfragte. Dass er Verzierungen teilweise anders platzierte als der Notentext war ebenfalls ein Zeichen individueller Deutung und insofern kein Vergehen, als von den Cellosuiten kein Autograph existiert, an dem man ein „richtig“ oder „falsch“ festmachen könnte. Seine unmaskierte Spitzfindigkeit färbte allerdings dahingehend ab, dass man sich als Zuhörer etwa fragte: warum klebt er, wenn zwei Noten durch einen Bindebogen verbunden sind, noch so lange auf der zweiten, statt sie kurz abzuziehen? Zumindest in diesem Moment des Hörens hätte man die barocke Seufzer-Phrasierung als passender empfunden.

Hochintelligente Technik

Doch seine Technik ist überragend: Auch in der Richtung Unspielbarkeit tendierenden Fünften Suite (BWV 1011) blieb die Intonation weitestgehend sauber. Müller-Schott gönnte sich hier immerhin das Zugeständnis eines Notenständers, den er klug neben sich stellte und nicht, wie viele andere, wie ein Schutzschild zwischen sich und die Zuhörer. Seine Virtuosität, die er oft wie beiläufig einsetzt, schien nicht das Produkt erbarmungslosen Übens, sondern einer sehr eigenen und hoch intelligenten Art, die Schwierigkeiten zu analysieren und auf organische, wie zwangsläufig erscheinende Art souverän zu meistern.

Die erste Zugabe stammte von Ravel, die zweite, eigentlich ein Gitarrenstück und von Müller-Schott auf seinem Cello mit viel Humor auch so gespielt, von dem georgischen Komponisten Sulkhan Tsintsadze (1925-1991).

DORIS KÖSTERKE