Händelfest des „Le Concert Spirituel“

Der Beifall brandete überaus üppig durch die Basilika von Kloster Eberbach für die Musiker des Ensembles Le Concert Spirituel, Gäste des Rheingau Musik Festivals. „Händelfest“ hieß das keine Überraschung verheißende Programm: Auf die drei Suiten von Händels „Wassermusik“ folgte die Arie „Ombra mai fu“.

Geistreich, witzig, erbaulich

Weil auflagenbedingt niemand öffentlich singen darf, spielte Héloïse Gaillard die ursprünglich für einen Kastraten geschriebene Sopranstimme auf der Oboe, „geistreich, witzig, erbaulich“, wie man „Spirituel“ auch übersetzen kann.

Le Concert Spirituel

Der Name des Ensembles verweist auf die Einrichtung, die von 1725 bis 1791 auf trickreiche Weise ein bürgerliches Konzertleben in Paris etablierte: Eigentlich lag das Monopol für öffentliche Musikdarbietungen derzeit bei der königlichen Musikakademie. Doch die pausierte an den immerhin rund dreißig katholischen Feiertagen im Jahr. Da ertrotzten sich Musiker die Erlaubnis, an ebendiesen Feiertagen zu spielen – mit dermaßen viel Erfolg, dass die königliche Akademie sich die Reihe schließlich einverleibte.

Notentext gegen den Strich gebürstet

„Geistreich, witzig, erbaulich“ ist die Herangehensweise von Hervé Niquet, dem Leiter und Gründer des Ensembles: er scheint den Notentext so lange gegen den Strich zu bürsten, bis er einen erfrischenden Gehalt darin gefunden hat, etwa den witzigen Bewegungsimpuls eines Fantasiewesens. Seine Musiker sind für seine Ideen dermaßen empfänglich, dass er sie machen lassen kann. Bei der Aufführung braucht er keine großen Gesten. Bisweilen hält er die Hände still am Kinn, wie beim Nachdenken, bisweilen tanzt er mit dem Gesicht zum Publikum zur Musik seiner Mitstreiter und agiert als ihr vertrautester Fan: „Bravo!“ ruft er nach dem offensichtlich improvisierten Schlagwerk-Part mit Schellenkranz zum Abschluss der „Wassermusik“ seiner Schlagzeugerin Isabelle Cornélis zu. Das 24-köpfige Ensemble wirkt wie ein vor Lebendigkeit sprühendes Gegenbeispiel zum absolutistisch regierten Orchester-Apparat.

Dabei kämpfte das Ensemble spürbar mit der Akustik, in der die Musiker einander bestenfalls schlecht hören. Im vorderen Rund saßen die scharf konturierenden Oboen und Fagotti. Bei klanglicher Motivation griffen ihre Spieler auch zu Blockflöten oder zum Blechblasinstrument Serpent. Hinter ihnen standen die eher weichzeichnenden Streicher, im Hintergrund die jeweils ventillosen Trompeten und Hörner. Hornspieler bezeichnen ihr Instrument als göttliches, weil Gott allein weiß, was rauskommt, wenn man reinbläst. Dass man an diesem Abend spürte, dass Musik eine höchst anspruchsvolle Kunst ist, in der auch mal was schiefgehen kann, war völlig in Ordnung. Zumal das Gesamterlebnis in hohem Maße überzeugte. Erhebender Rausschmeißer war Händels „Feuerwerksmusik“. Die Musiker von Le Concert Spirituel zeigten, wie ungeahnt gut diese strapazierte Musik tatsächlich ist.

DORIS KÖSTERKE
1.7.2021