„Happy New Ears“ für den Horrortrip

Merkwürdige Töne: beim Verklingen bilden sie einen Haken nach oben. Verstörender Weise wird dieser nach oben ausgreifende Ausschwingvorgang von mehr und mehr Instrumenten imitiert, bekommt Gewicht und schließlich ein Eigenleben, das mit bodenständigen Assoziationen nicht mehr zu beschreiben ist.

Klangliches Erkunden halluzinatorischer Zustände

Kein Wunder, denn dem Schöpfer dieser eigenwilligen Klangwesen, Fausto Romitelli, dem das jüngste Werkstattkonzert Happy New Ears des Ensemble Modern im Opernhaus gewidmet war, ging es in der hier vorgestellten Trilogie, Professor Bad Trip: Lesson I-III, um ein klangliches Erkunden halluzinatorischer Zustände. Inspiriert wurden die Lessons einerseits von den Three studies for a self-portrait von Francis Bacon, andererseits von Schriften des Malers Henri Michaux über seine Erfahrungen mit Drogen und Halluzinogenen.

Als exzellent vorbereiteter Moderator hatte Patrick Hahn die entsprechenden Bilder parat, in denen sich verschiedene Bewusstseinsinhalte vermischen, überschneiden und interagieren. Er kannte auch die Partitur gut genug, um das von Christian Karlsen geleitete Ensemble gezielte Momente anspielen zu lassen. Etwa, wie ein Motiv in Klängen verschwimmt, wie eine Zeichnung unter bewegtem Wasser.

Hirnforscher Wolf Singer zum Gebrauch von Drogen

Sein Gesprächspartner war der Hirnforscher Wolf Singer. Laut Singer ist der Gebrauch von Drogen so alt wie die Menschheit selbst: Naturvölker versuchten, darüber mit „höheren Mächten“ zu kommunizieren. Nicht wenige Kreative setzten Drogen ein mit dem Ziel, ihr Bewusstsein zu erweitern. Kurzfristig könnten sich darüber tatsächlich kognitive Inhalte aus verschiedenen Bereichen miteinander zu einer neuen Idee verbinden. Häufiger passiere es jedoch, dass, was im Zustand chemisch induzierter Euphorie geschaffen wurde, einem später prüfenden Blick nicht standhält. Gegenüber der Gefahr, dass man aus dem drogeninduzierten Zustand nicht mehr herausfindet, den Romitelli in obsessiven, stereotypen Bewegungen erlebbar macht, oder eines Horrortrips, wie er in Romitellis Lessons in stark verdichteten, mehr bedrohlich als interessant wirkenden Zuständen erlebbar ist, wies Singer darauf hin, dass man euphorische Bewusstseinszustände auch ohne Drogen erzeugen könne, etwa durch Extremklettern oder tiefe Meditation.

Flucht aus dem Akademischen

In life-elektronischen Effekten und dem ebenfalls von Norbert Ommer geschaffenen elektronischen Soundtrack, mit dem die erste Lesson unterlegt ist, erinnert das Klangbild der Lessons vage an Pink Floyd. Fausto Romitelli, der 2004 im Alter von nur 41 Jahren verstorben ist, sah in der Beschäftigung mit halluzinatorischen Bewusstseinszuständen einen „Fluchtweg“ aus dem akademischen Komponieren, dem „Körper, Fleisch und Blut fehlen“.

DORIS KÖSTERKE