Klangrede gegen Populismus

Portrait Ernst Krenek

„Und dann ins Eck gestellt“ hatte Claudia Maurer Zenck einen Aufsatz (1996) über Ernst Krenek (1900-1991) übertitelt. Im Gesprächskonzert „Happy New Ears“ saß sie in der Oper Frankfurt zusammen mit Dirigent Lothar Zagrosek und Moderator Stefan Fricke neben dem Ensemble Modern auf der Bühne. Von dem Komponisten, den man mit „Jonny spielt auf“, aber auch staubtrockenen Zwölftonkompositionen verbindet, vermittelte sie das Bild eines zwischen Selbstherrlichkeit und Selbstzermürbung schwankenden Künstlers, den Kritik leicht aus der Bahn warf. Seine ausgiebige autobiographische Tätigkeit, so Zenck, sei vor allem Selbstschutz gewesen. Seine „Zweite Symphonische Musik“ – für 9 Solo-Instrumente op.23 (1923) hatte er wohl mithin deshalb zurückgezogen, weil ein Kritiker sie bei der Uraufführung nicht verstanden hatte. „Aber das Stück ist auch sauschwer“, fügte Zagrosek an „und man hatte damals noch kein Ensemble Modern!“. Gründe genug, dem erstaunlichen, bis heute ungedruckten Werk an diesem Abend zu seiner Deutschen Erstaufführung zu verhelfen.

Es klang, als hätte man ein poly-stilistisches Gemälde mit glitzernden Plastikteilchen kombiniert: spätromantisch-schwüles erinnerte an den frühen Schönberg, rhythmisch Prägnantes an Strawinsky und das Umklappen verschiedener Stilebenen an Mahler: so tauchte etwa aus wild-expressionistischen Klanggesten unvermittelt ein Thema auf, das man der Unterhaltungsmusik zurechnete. Aber schon während es von anderen Instrumenten übernommen und etwa zu einem Fugato weiterverarbeitet wurde war es, als würden populistische Idiome auf ihren „ernsten“ Kern reduziert. In dieser Klangrede gegen Populismus überzeugten insbesondere Flötistin Delphine Roche, Klarinettist Jaan Bossier, Geiger Jagdish Mistry und Cellist Michael Kasper sowohl im Bereiten vom Süffigem, als auch im Umbiegen dessen in leidenschaftlich ernste melodiöse Statements. Mit der stringenten rhythmischen Verdichtung zum Schluss der „Zweiten Symphonischen Musik“ könnte man auch ein Tänzchen zum Stehen bringen. Aber Krenek kombiniert sie mit einem tiefen Streichergrummeln, das diese konventionelle Lösung nachhaltig in Frage stellt: eine Provokation. Kompositorisch, aber auch interpretatorisch toll gemacht!

Sollte man den Künstler vielleicht aus dem Eck wieder rausholen?

DORIS KÖSTERKE