Wunderbar ausgehörte Zusammenklänge machten das jüngste der Wiesbadener Meisterkonzerte mit der von François Leleux geleiteten Camerata Salzburg im Friedrich-von-Thiersch-Saal zu einem kulinarischen Erlebnis. Ein besonderes Glücksmoment etwa war das Zusammenwirken von Oboe und Klarinette gegen Ende der Ouvertüre „Die Hebriden“ op. 26 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Es folgte das mit technischen Schwierigkeiten gespickte Violinkonzert in d-Moll (sein berühmtes steht in e-Moll!), das Mendelssohn im Alter von 13 Jahren geschrieben und später verworfen hatte, mit Lisa Batiashvili als Solistin. Unter ihrer Intonation im virtuosen 1. Satz schien sie selbst am meisten zu leiden, um darüber spätestens in „Chiaroscuro“ für Violine und Orchester von Gija Kantscheli zur Höchstform aufzulaufen. Der Komponist, der wie die Solistin aus Georgien stammt, versteht seine Musik auf abstrakte Weise politisch. Seine Tonsprache berührt in intimen wie in mächtigen Momenten so unmittelbar, wie ein Streichen über die Haut – mal mit, mal gegen den Strich.
Verstärkt vom zunächst abgedunkelten Raumlicht erinnerten Schläge auf die gedämpfte Große Trommel an ein übergriffiges Pochen an der Privatsphäre, an schwere Schritte von Eindringlingen, mitunter auch an Gewehrsalven, in jedem Fall als Bedrängung und Bedrohung, über die sich die Violine zunächst mit einem einfachen Viertonmotiv, später mit einer zauberhaften, in die Flageolett-Lage entrückten Melodie hinwegsetzt und in wechselnden Klanggruppen des Orchesters Resonanz und Dialoge erfährt. Besonders beglückend war das Zusammenspiel zwischen Solo-Geige und hauchzart gespielter Marimba.
Hatte das Orchester in der ersten Hälfte des Abends in der so genannten „amerikanischen“ Aufstellung gespielt, in der beide Geigengruppen im unmittelbarer Nähe zur Solistin sitzen, spielte es nach der Pause in der so genannten „deutschen Aufstellung“, bei der der Klang der Celli satt nach vorn in den Raum abstrahlt, während die beiden Geigengruppen, tragende Kräfte der Musik zu Mozarts Zeiten, sich über Blickkontakt miteinander verständigen. Die visuelle Selbstorganisation des Orchesters war in Mozarts Oboenkonzert C-Dur KV 314 angebracht, in dem François Leleux seine Hände für die Oboe brauchte, für deren Schönklang er ebenso berühmt ist, wie für seine Dirigate voll Bewusstsein für die raumzeitliche Architektur der Stücke und das spürbar detailfreudige Herausmeißeln thematischer Strukturen. Im Anschluss gab es „eine Überraschung“, wie Leleux sagte. Das Solisten-Duo klang nach Szenen einer Ehe im Spiegel mozärtlicher Themen, einschließlich eines geigerischen Wutausbruchs im Stile der „Königin der Nacht“. Wer das ursprünglich für zwei Flöten geschriebene Duo aus unbekannter Feder nachspielen möchte, bekommt es bei der Universal Edition unter der Nummer 15966.
DORIS KÖSTERKE