Ein prächtiges atmosphärisches Klangbad boten die von Ludwig Güttler geleiteten Virtuosi Saxoniae beim Rheingau Musik Festival in der Basilika von Kloster Eberbach: Eins wie früher, als die Institute für historische Aufführungspraxis noch nicht wie Pilze aus dem Boden schossen. Und als es noch normal war, Barockmusik mit den gleichen Instrumenten und der gleichen Musizierhaltung zu spielen, wie Stücke der Romantik.
Fast schien es, als hätten ausnahmsweise einmal die Hörer im hinteren Teil der Basilika die besseren Karten. Denn sie profitierten vom Weichzeichner der Akustik und dem Prinzip „das Ohr hört’ s zurecht“. Die Reihen im vorderen Teil der Basilika hatten sich nach der Pause deutlich gelichtet.
Wer dort saß und zudem von hervorragenden Barockensembles verwöhnt war, wie sie auch beim Rheingau Musik Festival zu hören sind, vermisste bei den wie beim Blattspiel auf ihre Notenblätter fixierten Musikern die Präsenz. Ihre Einsätze wirkten nicht mehr als stochastisch, was mithin durch Güttlers wenig impulsive Gesten bedingt schien. Wo Güttler selbst mitspielte fragte man sich, ob man es mit unliebsamen Interferenzen oder vielleicht doch mit unsauberem Spiel zu tun hatte. Bei allem Respekt vor dem Lebenswerk des 1943 geborenen Trompeters, der dem Rheingau Musik Festival seit 1988 die Treue hält möchte man ihm empfehlen, den Musikern des 1985 von ihm gegründeten Kammerorchesters mehr Vertrauen entgegenzubringen und sie zumindest in solistischen und kammermusikalischen Abschnitten nicht zu dirigieren.
Insbesondere in Vivaldi Konzert für zwei Violoncelli g-Moll RV 531 bremste sein Dirigat ganz erheblich das „Wetteifern“ der beiden Cellisten Tom Höhnebach und Titus Maak, die vom Kontrabassisten Bernd Haubold und Friedrich Kircheis am Cembalo hellwach begleitet wurden. In Bachs Violinkonzert a-Moll BWV 1041 agierte Solist Roland Straumer unter Güttlers Leitung wie ein Musikvollzugsbeamter. Ungeachtet der glutvoll agierenden Bassgruppe wirkten die sequenzierten Motive im Finalsatz so mechanisch, als stammten sie von einem Computer. Immerhin gefiel der Klang von Straumers Geige.
Vor der Zugabe, einem Da Capo der Ouvertüre von Händels Feuerwerksmusik, suchte nicht allein die Kritikerin zügig das Weite.
DORIS KÖSTERKE
21.8.2019