Eine aufsteigende Folge lang ausgehaltener Töne eröffnet die vor 1630 komponierte Sonata seconda per canto solo von Giovanni Battista Fontana. Während Maurice Steger sie spielte, lauschte er aufmerksam in den Raum der Mainzer Seminarkirche hinein, in dem die von ihm hervorgebrachten Klänge ihr eigenes Leben zu führen begannen. Der Blockflötist, der kein „Virtuose“ sein will, konzertierte mit vieren seiner Meisterschüler beim Mainzer Musiksommer.
Körperkunst, Raumkunst
Blockflötisten, sagt er, müssen sich selbst zum Resonanzkörper machen, um wiederum den Raum zum Klingen zu bringen. Um den Raum ganz einbinden zu können, wartete Steger bisweilen schmunzelnd, bis alle Kirchenbänke aufgehört hatten zu knarren. Etwa vor der Sonata in g von Theodorus Schwartzkopf (1659-1732), einer echten Entdeckung aus den Archiven, in denen Steger mit Hingabe nach Unbekanntem sucht.
Seine spürbare Freude an diesem Konzert galt zweifellos auch seinen Mitspielern. Ihre Intonation war phänomenal, Artikulation und Phrasierungen plastisch und die Verzierungen ebenso organisch in den melodischen Fluss eingebunden, wie bei ihrem Lehrer. Humorvoll führten sie ihren Zuhörern bisweilen vor, was passiert, wenn man Artikulation und Intonation einmal schleifen lässt. Einziger Kritikpunkt war, dass sie oft noch zu schüchtern oder zu anständig schienen, um ihrem Lehrer so heftig Paroli zu bieten, wie es der Musik bisweilen gut tut.
Spielen auch auf anderen Instrumenten
Das Besondere: fast alle ließen sich ohne qualitative Abstriche auch an einem anderen Instrument als der Blockflöte hören, Céline Pasche auf der Barockharfe, Claudius Kamp auf dem Barockfagott und Maximilian Volbers vor allem am Cembalo, an dem auch Maurice Steger selbst keine schlechte Figur machte. Nur Laura Schmid blieb durch und durch Blockflötistin. Das Gesamtbild des Konzerts wurde auch durch wechselnde Besetzungen, vom begleiteten Solo zum Quintett, aufgelockert. Um zu verhindern, dass sich nach jedem der vergleichsweise kurzen Sonaten und Concerti ein energetisches Beifallsloch auftat, füllte Max Volbers die Zeiten zum Wechseln von Plätzen und Instrumenten mit stiltreuen eigenen Improvisationen am Cembalo.
Wer sein Instrument in sich trägt …
Blockflötisten reisen mit einem großen Arsenal an Instrumenten in verschiedenen Registern und Stimmhöhen. Das Piccolino war unterwegs kaputtgegangen. So hatte Steger rasch vor Ort ein wohlfeiles neues gekauft. Nach dem Konzert vermachte er es einem noch kleinen Nachwuchs-Flötisten, der aufmerksam in der ersten Reihe saß. Doch zuvor, in der ersten Zugabe, einer eigenen Zauberflöten-Vogelfänger-Bearbeitung, hatte Steger bewiesen, dass, wer sein Instrument in sich trägt, nicht unbedingt ein teures braucht, um mitreißend Musik zu machen.
DORIS KÖSTERKE
13.08.2019