„Ich wusste: an dieser Aufgabe konnte ich eigentlich nur scheitern. Da wollte ich wenigstens Spaß an diesem Scheitern haben!“, plauderte Olga Neuwirth im Werkstattkonzert „Happy New Ears” in der Oper über den Auftrag, ein „Schwesterwerk“ zu Bachs Viertem Brandenburgischen Konzert zu schaffen.
Vor dem Gespräch der Komponistin mit Olaf A. Schmitt hatte das Ensemble Modern ein Hörbeispiel aus diesem „Schwesterwerk“, „Aello – Ballet mécanomorphe for solo-flute, two muted trumpets, string ensemble, keyboard and typewriter” (2017), zum Besten gegeben, das vage an Kirmesmusik erinnert hatte – mit vom Flötisten Dietmar Wiesner stilecht imitierten „Jazz Whistles“. Um sich vom „Großen Schwesterwerk“ abzusetzen, hatte Neuwirth die Blockflöten durch zwei gestopfte Trompeten ersetzt und den mit ihnen konzertierenden Solo-Geiger durch einen Flötisten. Die Schreibmaschine fand ins Instrumentarium, um das Klischee vom „Nähmaschinen-Bach“ klanglich durch den Kakao zu ziehen. Ein weiterer mechanistischer Klangeffekt war „Milchaufschäumer an Triangel“. Auch Streicherensemble und Basso Continuo sollten bei ihr nicht zu „klassisch“ klingen. Deshalb ließ sie die ersten Geigen auf 443, die zweiten auf 415 und das Cembalo auf 431 Hz stimmen. Den Klangeffekt verglich sie im Gespräch sehr treffend mit einem „kaputten Karussell“.
Bei zuvor erlebten Aufführungen hatte man „Aello“ verdächtigt, mehr auf Effekt denn auf substanzielle Reibung abzuzielen. Nach diesem Gespräch hörte man es mit „neuen Ohren“, gründlicher und sehr viel glücklicher über den gespenstisch schwerelos glitzernden Mittelsatz.
Zweites Werk des Abends war eine Auswahl aus der „Hommage à Klaus Nomi“ (1998/2008). Das Vexieren zwischen unterhaltender und Hochkultur lag für Olga Neuwirth von je her nahe und damit auch das gekonnte tiefgründige Spiel mit trivialmusikalischen Klischees des allzu früh an AIDS gestorbenen Countertenors Klaus Sperber alias Nomi (1944-83). Dirigent Karsten Januschke schwärmte vom um E-Bass und E-Gitarre erweiterten Ensemble Modern als von einer Rockband, mit der man es „richtig krachen lassen“ könne. Erfreulicher als die Suche nach Gründen, warum das klangliche Resultat hinter den geschürten Erwartungen zurückblieb war das Staunen über den souverän zwischen Bariton- und Countertenorstimme hin- und herwechselnden Daniel Gloger und seinen existenziellen Einsatz im „Awake from winter“ nach Nomis „Cold Song“.
DORIS KÖSTERKE