„Der letzte Grandseigneur der Gitarre“ wird Pepe Romero genannt. Wenige Tage nach seinem 75. Geburtstag am achten März gastierte er zusammen mit dem Real Orquesta Sinfónica de Sevilla im Großen Saal der Alten Oper und gab Anlass, über seine Fingerfertigkeit zu staunen.
Immerhin ist die Gitarre ein undankbares Instrument: Grob gesagt braucht man für jeden vollen Klang alle Finger beider Hände und im nächsten auch, aber in anderer Sortierung. Wie bei einer vollgriffigen Toccata auf dem Klavier. Aber Klaviertasten liegen handlich nebeneinander, während man auf der Gitarre oft den Zeigefinger der linken Hand quer über das Griffbrett legen und die anderen Finger in wechselnden Formationen daneben über sechs Saiten und durchschnittlich drei Bünde springen lassen muss. Klaviertasten kann man loslassen und den Klang mit dem Pedal halten oder den Dämpfern überantworten. Wenn man jedoch auf der Gitarre einen Griff zu schnell loslässt, um den nächsten vorzubereiten, erntet man ein Mark und Bein durchdringendes Scheppern: Kein Wunder, dass das Instrument, im vergangenen Jahrhundert von vielen verehrt, die Geige- oder Klavierspiel spießig fanden, allmählich wieder an Beliebtheit verloren hat.
Bei Pepe Romero hingegen scheppert es nur ganz selten. Seine Barrégriffe, das sind die mit dem Zeigefinger quer über die Seiten, fließen bei ihm als alltägliche Routine: Immerhin hat sein Papa, Celedonio Romero, ihn und seine Brüder Célin und Angel schon von frühester Kindheit an darauf vorbereitet. Zusammen haben sie nach der Emigration der Familie in die USA als „Los Romeros“ Karriere gemacht. Pepe führte sie am weitesten fort, als Solist, unter anderem mit Sir Neville Marriner und der Academy of St Martin in the Fields und sehr oft mit dem gelungensten Werk, das je für Gitarre und Orchester geschrieben wurde: Das Concierto de Aranjuez von Joaquín Rodrigo. Dass Pepe Romero es auswendig spielte, hatte auch Auswirkungen auf seine Interpretation: sie klang erheblich geschmeidiger als im Concierto en Flamenco von Federico Moreno Torroba in der ersten Hälfte des Konzertes. Rodrigo verstand sein Handwerk: Damit sich das vergleichsweise leise Zirpen des Instruments besser im Raum ausbreiten kann, unterlegt er die ausgedehnten solistischen Passagen mit einem sehr leisen Orgelpunkt in den Kontrabässen. Erstaunlich, wie er mit einem einfachen Motiv, einer D-Dur-Kadenz mit sanglicher Oberstimme und einem Rhythmus, dessen Reiz darin besteht, dass er sechs Zählzeiten mal in Zweier- man in Dreierpäckchen teilt, 18 Takte füllen kann, ohne dass man dem so überdrüssig wird, wie den weitgehend unentwickelten Themen in Bizets L’Arlésienne-Suite Nr. 1 und 2, die dem Konzert den orchestralen Rahmen gaben. Zugabe des von John Neal Axelrod nicht sonderlich detailfreudig dirigierten Orchesters war die Habanera aus Bizets Carmen. Der Gitarrist würdigte in seiner Zugabe seinen Vater, mit einer Fantasia aus dessen Feder, die Kuba im Namen und im Rhythmus trug.
DORIS KÖSTERKE
(16.3.2019)