Debüt beim Rheingau Musik Festival
Ein Pianist, der auf seinem Instrument zu singen weiß, war der allererste Eindruck im Debüt-Konzert des Isländers Víkingur Ólafsson beim Rheingau Musik Festival.
Zu Beginn seines Konzertes bat er sein Publikum im Fürst-von-Metternich-Saal auf Schloss Johannisberg darum, den Bogen der ersten Konzerthälfte nicht mit Applaus zu durchbrechen: „Es wird sehr intensiv – für mich und für euch alle!“.
Er hatte viele kleinere Werke von Bach auf einem Bogen angeordnet, den er über nicht gerade „klassische“ Tonartbezüge wie ein Musikstück durchkomponiert hatte. Darunter auch Bearbeitungen von Rachmaninow und Siloti, in denen die barocke Tonsprache in eine spätromantische umschlug. Sein philosophischer Ansatz, der einzelne Wendungen so lange gegen den Strich bürstet, bis ihr Tiefgang erkennbar ist, führte ihn auch durch polternde Schroffheiten, gespenstische Begegnungen mit Trollen und virtuose Farbschlachten. Man vertraute ihm. Auch dann, wenn sich der Grund für unvermittelt Änderungen der Artikulation nicht immer erschloss.
Die zweite Konzerthälfte widmete er dem Motto des diesjährigen Festivals, „Freundschaft“, indem er zwei im Jahre 1853, im Keimungsprozess einer Freundschaft entstandene Kompositionen gegenüberstellte: Die „Gesänge der Frühe“ op. 133 des 43-jährigen, bereits von körperlichem und geistigem Verfall gezeichneten Schumann und die Sonate für Klavier Nr. 3 f-Moll op. 5 von Brahms. Das Werk des derzeit Zwanzigjährigen bezeichnete Víkingur Ólafsson als dessen „erstes Werk absoluter Meisterschaft“. Während Schumanns Werk klangmalerisch in sich selbst zu kreisen schien, spiegelte Brahms‘ op. 5 den Konflikt, der ihn zeitlebens nicht mehr loslassen sollte: zwischen der Bewunderung, Dankbarkeit und Loyalität gegenüber dem väterlichen Freund und der übermächtigen hormonellen Bindung an Clara, voll inniger Leidenschaft im Schatten des Ungestümen. Das zentrale Scherzo, bisweilen mit dem Schluss in Mendelssohns Klavier-Trio in c-Moll in Verbindung gebracht, erinnerte in Víkingur Ólafssons Interpretation an die Klangsprache Chopins, die letzten beiden Sätze schienen eine Referenz an Schumann.
In den beiden Zugaben, der Etude Nr. 9 von Philip Glass und einem unorthodoxen „Rappel des Oiseaux“ von Jean-Philippe Rameau umriss der Pianist seine stilistische Bandbreite. Nach dem Konzert sprudelte er vor Begeisterung: „So ein tolles Publikum! So konzentriert über die ganze Zeit!“ – Dieses Kompliment geben wir gern weiter. Und an den Pianisten als Auslöser zurück
DORIS KÖSTERKE
27.07.2018 – Das Konzert wurde vom Deutschlandfunk aufgezeichnet.