Vorurteile, Toleranz, Minimalismus und Diversität sind Themen der britischen Geigerin, Ensembleleiterin und Komponistin Rakhi Singh. Am Sonntag, dem 8. Oktober 2023 bringt sie sie in die Börse: Als Auswärtsspiel der Alten Oper wird sie zwei Konzerte im Börsenhandelssaal geben.
Rakhi Singh
Rakhi Singh erweitert das Klassikspektrum gerne um aktuelle Dimensionen. Zu ihren beiden Konzerten an diesem unüblichen Ort schreibt sie in einem Mail: „Ich liebe es, an unüblichen Orten zu spielen, da man mit dem Publikum auf eine andere Weise in Kontakt kommt“. Ein dazu passendes Stück hatte sie sofort parat, das von den Tickermaschinen an der New Yorker Börse inspirierte „Joyboy“ von Julius Eastman (1940-1990). Rakhi Singh hatte es bereits mit ihrer Gruppe „Manchester Collective“ aufgeführt. Für das Frankfurter Konzert hat sie eine Version erarbeitet, die sie allein aufführen kann.
Minimalismus
Denn das gehört zu ihren zentralen künstlerischen Anliegen: Probieren, ob eine gewünschte Wirkung, in diesem Falle der Klangeindruck von Eastmans Komposition, sich auch mit begrenzten Mitteln schaffen lässt, in diesem Falle allein mit Geige und Elektronik.
Julius Eastman, schwarz und schwul
Über die Musik von Julius Eastman schreibt sie: “Seine Werke sind mehr als nur Musik. Sie sind oft politische Aussagen und spiegeln die Kämpfe wider, die viele Menschen durchmachen mussten und teilweise immer noch müssen, nur weil sie sind, wer sie sind. Er war ein schwarzer schwuler Mann, der von 1940 bis 1990 in New York lebte. Vieles in seiner Musik ist wunderschön, anderes ist voller Kraft und Kampf“.
Von Barock bis Bang-On-A-Can
Julius Eastman war einer der ersten Komponisten von Minimal Music überhaupt. Auch andere Programmpunkte verheißen Nähe zu einer geisteich-unterhaltsamen Musik, in der ein eher begrenztes Material etwa über raffinierte Rhythmik, Überlagerungen und Verschachtelungen zu immer wieder neuen Gestalten findet, etwa von Michael Gordon, der zusammen mit David Lang und Julia Wolfe das New Yorker Bang-On-A-Can-Festival initiiert hat. Julia Wolf wiederum war eine der Lehrmeisterinnen der 1980 in London geborenen Anna Clyne, die am 8. Oktober ebenfalls auf dem Programm steht.
Aber auch Barockes wird erklingen, von Nicola Matteis. Um 1650 in Neapel geboren, hat es ihn nach Großbritannien verschlagen, wo er mindestens bis 1713 nachweisbar war, bevor seine Spur sich verlor.
Diversität
Rakhi Singh wird auch mindestens eine eigene Komposition spielen. Darauf darf man an diesem Ort besonders neugierig sein, denn ihre Musik speist sich aus dem, wie sie die Welt erlebt: „Die Welt wäre langweilig, wenn wir alle gleich wären und dasselbe mögen würden“, schreibt sie. Da möchte man gerne noch einen Schritt weitergehen und die Verschiedenheit von Menschen mit Biodiversität vergleichen: Je verschiedener wir uns erlauben zu sein, umso größer sind unsere Chancen, mit den begrenzten Ressourcen klar zu kommen.
Vorurteile überwinden
Zwischenmenschliche Verschiedenheiten, sind jedoch immer wieder herausfordernd: „Ich verbringe einen Großteil meines Lebens damit, meine Vorurteile zu überwinden und darauf zu hören, was mein Instinkt über etwas denkt. Ob es eine Verbindung zu meinem Herzen herstellt und wie ich mich dabei fühle“, schreibt Rakhi Singh und resümiert: „Musik kann uns lehren, dass wir nicht alle gleich sind. Gleichzeitig bringt sie uns zusammen“, im gemeinsamen konzentrierten Zuhören und Sich-Öffnen.
DORIS KÖSTERKE
September 2023
Auswärtsspiel der Alten Oper:
Rakhi Singh, Violine und Elektronik
Sonntag 08. Oktober 2023
Zwei Konzerte, um 15 und um 18 Uhr im Börsenhandelssaal der Börse Frankfurt, Börsenplatz 4.