Schneller – Tiefer – Leiser – Ensemble armoniosa

Man hätte eine Pause machen sollen. Von der starken Konzentration erfreulich vieler Zuhörer schien im Konzert des Ensembles armoniosa nach knapp einer Stunde im Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt nicht nur die Luft verbraucht.

Um die Intensität zu steigern, wird dieses Ensemble nicht lauter, sondern leiser. So leise, dass man „ganz Ohr“ wird und sich kaum zu atmen traut, bis ein virtuoser Folgesatz zum befreiten Durchatmen einlädt. Das Prinzip eines „schneller, höher, lauter“ durchbrechen die fünf Norditaliener um die beiden Brüder Francesco (Violine) und Stefano (Violoncello) Cerrato in mindestens zwei weiteren Punkten.

Triosonaten mit zwei Celli

Eine Motivation dazu, das „höher“ durch ein „tiefer“ zu ersetzen, mögen sie aus den an diesem Abend erklungenen Triosonaten von Giovanni Benedetto Platti (ca. 1697-1763) geschöpft haben: eine barocke Triosonate lässt in der Regel zwei hoch klingende Instrumente auf dem Klanggrund eines basso continuo miteinander wetteifern, doch bei Platti spielt ein Cello die „erste Geige“. Das hängt damit zusammen, dass sein Dienstherr, der Würzburger Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn, einen Bruder hatte, den Grafen Rudolf Franz Erwein von Schönborn, der offensichtlich sehr gut Cello spielen konnte.

Das Zentrum von armoniosa bilden Stefano Cerrato und sein fünfsaitiges Cello in schmaler Stradivari-Form. Ihm zur Rechten fängt sein Bruder Francesco, ein bereits zu Kinderzeiten international gefeierter Geiger, die motivischen Bälle auf und wirft sie in veränderter Form zurück. Zu seiner Linken erfüllt Marco Demaria seine Rolle als Continuo-Cellist auf einem breiteren, an die Montagnana-Bauform erinnernden Instrument, im Strich so genau auf ihn abgestimmt, dass man oft nicht unterscheiden kann, von wem welcher Beitrag kommt. Im Rücken der drei mischen Cembalist Michele Barchi und Organist Daniele Ferretti ihre divergierenden Klangfarben miteinander. Das Klangbild erinnert an ein wohlig temperiertes Thermalwasserbecken mit interaktiven Fontänen.

Magisch

Umrahmt von zwei besagten Triosonaten von Platti erklangen ein Juwel, die erste der „Rosenkranzsonaten“, L’annunciazione, von Heinrich Ignaz Franz von Biber (1644-1704) und ein Kuriosum, Bachs erste Cellosuite, quasi „orchestriert“. In der Biber-Sonate stand die Virtuosität des Geigers voll und ganz im Dienste eines musikalischen Erzählens. Man verstand: Jenseits der messbaren Kriterien einer olympischen Disziplin macht dieses Ensemble die Musik als etwas Magisches erlebbar.

Nach dieser Offenbarung hätte man eine Pause gebrauchen können. Dramaturgisch geschickt folgte die Triosonate „La Follia“ von Antonio Vivaldi. Ihre psychedelische Wirkung hätte sich steigern lassen, wenn der Geiger in langsamen Sätzen länger auf seinen schönen Tönen verweilt hätte, um folgenden Rasanzen den vertiefenden Kontrast zu geben. In den folgenden Stücken ließen leichte koordinatorische Unstimmigkeiten eine nachlassende Konzentration auch bei den Musikern vermuten: Man hätte halt eine Pause machen sollen.

DORIS KÖSTERKE