Tamáss – Berührung und Grenze

Hörtheater: Tamáss (UA)

Tamáss bedeutet zugleich Berührung und Grenze. Der arabisch-persische Begriff war Motto einer zweijährigen Zusammenarbeit des Mainzer Musiktheaters mit Oriental-Jazz-Ensemble LebiDerya aus Mannheim. Die Uraufführung der Resultate als dichtes „Hörtheater“ verdiente den reichen Beifall im Großen Haus am Staatstheater Mainz. Die Idee hatte der mit arabischer Musik erfahrene Perkussionist Joss Turnbull. Regie geführt hat Anselm Dalferth.

Das Publikum war auf der Bühne platziert und staunte über die gute Akustik im Zuschauerraum, wo die Musiker im ersten Programmteil im hektischen Durcheinander von einer inselartigen Kleinbühne zur nächsten hetzten: Kaum lud eine musikalische Begegnung zum Zuhören ein (etwa das einander Durchdringen von ostkirchlich anmutendem Gesang mit dem Spiel der arabischen Laute Oud), wich sie schon wieder einem allgemeinen Gerenne.

Waren die Darsteller in diesem ersten Teil (kann man ihn kürzen?) noch als Träger von Funktionen kostümiert, Sopranistin Alexandra Samouilidou etwa im Diven-Kleid und die Orchestermusiker im Frack, begegneten sie einander im zweiten Abschnitt als Menschen in Alltagskleidung, in Paaren und Doppelpaaren. Glanzpunkte waren die sublimiert-erotische Perkussions-Szene für Tisch, Flasche und Glas zwischen Maren Schwier und Ziad Nehme, sowie die Wiedersehens-Szene zwischen Johannes Stange und Joss Turnbull, in der eine Umarmung in eine Bodyperkussion und ein stilisierter Streit handgreiflich in ein Händeschütteln mündete. Sound-Artistin Mutamassik umschwärmte den Geige spielenden Mihail Katev mit elektronischen Aufnahmegeräten. Das danach Abgespielte klang im wahrsten Sinne des Wortes „billig“.

Eine feierliche Darbietung des Zweiten Satzes aus Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ versank in geschäftigem Klappstuhl-Klappern. Es markierte den Beginn des dritten und letzten Teils, in dem die Darsteller sich als Einzelwesen vorstellten: Anrührend zeigte Malte Schaefer, dass er nicht nur stimmführend bratschen, sondern auch sehr gekonnt singen kann. Als „Küken“ des Ensembles sang Maren Schwier ein koreanisches Kinderlied. Die sture Reihung von insgesamt 16 Selbstdarstellungen wirkte einerseits noch trockener, als die zuvor durchdeklinierten Paarformationen. Doch nur zwei Selbstdarstellungen (E-Gitarre und Soundart) gingen durch Länge auf die Nerven und nur wenige blieben blass. Der Rest berührte. Etwa der aus dem Libanon stammende Tenor Ziad Nehme, oder die kreolischen Wurzeln der provencalischen Mezzosopranistin Geneviève King. Am dankbarsten wurden die libanesischen Musiker mit ihren Beiträgen aufgenommen: der charismatische Sänger Abdel Karim Shaar, Oud-spieler Abdalhade Deb und Ghassan Sahhab, der auf der arabischen Zither Qanun einen Tango spielte.

DORIS KÖSTERKE