Terminal X – Building Our Future

 

„Im Walde steht geschrieben ein stilles ernstes Wort vom rechten Thun und Lieben, und was des Menschen Hort“. Bei einem seiner Sommerurlaube in Frankfurt hat Felix Mendelssohn Bartholdy diese Eichendorff-Worte in einen eingängigen romantischen Chorsatz gefasst. Mutmaßlich wurde sein „Abschied vom Walde“ op. 59,3 beim Wäldchestag im Jahre 1834 am Oberforsthaus aufgeführt. Ein Zitat daraus erklang im Musiktheater „Terminal X – Building Our Future“ von Julia Mihály (Hörbares) und Maria Huber (Dramaturgie und Inszenierung). Als kreative Antwort auf die Corona-Beschränkungen fand die Aufführung als mobile Performance, in Form eines Waldspaziergangs statt.

Terminal X – Building Our Future von Julia Mihály & Maria Huber

Am Treffpunkt, wo die Waldstraße Idylle verheißend auf die Waldfriedstraße trifft, definierte das Plakat „Fluglärm macht krank“ das Spannungsfeld der vom Künstlerhaus Mousonturm getragenen Musiktheater-Produktion.

Jeder der auf 35 limitierten Besucher erhielt eine Provianttüte mit einer Flasche Wasser, einem Mund-Nasen-Schutz in Designer-Qualität (Grete Seidl, Antonia Immel, Wilma Lyon), dem Programmheft und einem Kopfhörer nebst der Instruktion: Kanal 3 bitte eingestellt lassen, Lautstärke nicht zu hoch aufdrehen. Abmarsch Richtung Oberforsthaus und in den gegenüberliegenden Wald, in dem so mancher Wäldchestag Spuren hinterlassen hat. Performer (Alice Nogueira, Svenja Polonji, Martin Müller) und Musiker (Martin Lorenz, Alexander Reiff) in Warnwesten regelten teils mit Trommeln (unkonventionelle Bauweisen: Richard Millig) Weg und Gehgeschwindigkeit.

Live-elektronische Klangsynthesen

Aus den Kopfhörern drangen einerseits aktuelle Geräusche, etwa denen, die mangels Wind vom Mikrophon aus den Blättern gekitzelt werden, dem musikantischen Kratzen auf Totholz oder den Klängen aus der E-Gitarre, die Julia Mihály über den Waldboden zog. Darein mischten sich (Technik: Tobias Hagedorn), teils verfremdet, geloopt und kompositorisch gestaltet, Tondokumente aus der Zeit des Widerstands gegen den Bau der Startbahn West (1980/81) und dem aktuellen gegen den Bau des Terminal 3: Politiker kamen ebenso zu Wort wie Reporter und Demonstranten. Eine Stellungnahme von Holger Börner zur Rechtfertigung einer vielfach als überzogen empfundenen Polizeigewalt („…einzelne haben das verfassungsmäßige Demonstrationsrecht schlimm missbraucht“) stellte aktuelle Bezüge, etwa zu den Vorgängen in Ingelheim, her. Mobile Plakate hinterfragten Prämissen von Politik und Wirtschaft. Insgesamt hob die Veranstal­tung den Blick auf eine wachsende Tendenz innerhalb der Bevölkerung, sich zu zivilen Aktionen zusammenzuschließen, um gegen die Eigengesetzlichkeiten der Wirtschaft zu verteidigen, was ihnen lieb und teuer ist. „Stillstand ist Rückschritt“ – das gilt auch für eine lebendige Demokratie.

DORIS KÖSTERKE
21.8.2020