Angenehm frischer Wind

Thomas Guggeis begann sein Antrittskonzert als Chefdirigent des Opern- und Museumsorchester im Großen Saal der Alten Oper mit einer Uraufführung von Lucia Ronchetti. Die 1963 in Rom geborene Komponistin hatte der gerade dreißig Gewordene sich selbst ausgesucht. In Frankfurt ist sie keine Unbekannte: Während die Oper Fankfurt ihr „Inferno“ produzierte, hatte sie eine Gastprofessur an der Frankfurter Musikhochschule inne und das Ensemble Modern hat ihrem Begriff „Drammaturgia“ eins seiner Werkstattkonzerte „Happy New Ears“ gewidmet.

Zusammenarbeit von Thomas Guggeis und Lucia Ronchetti

Mit Guggeis verbindet sie seit einigen Jahren ein lebhafter künstlerischer Austausch. So hat sie ihm ihr Stück „Studio di ombre“ mit virtuosen frei zu improvisierenden Teilen gezielt auf den Leib geschrieben und es gleichzeitig eng auf das Hauptwerk des Konzerts, Mahlers Siebte Symphonie, bezogen.

„Studio di ombre“ von Lucia Ronchetti

„Nacht“ war das Motto des Konzerts. Mahler öffnet in seiner siebten Symphonie das gesamte Spektrum von Schwermut, Angst, albernden Kobolden, bedrohlichen Geistern und heimlicher Liebelei. So auch Ronchetti. Um den Hell-Dunkel-Kontrast zu schärfen, beschränkt sie sich in ihrem „Notturno“ auf Bläser und Perkussionsinstrumente, ohne den „Weichspüler“ der Streicher. Ein tiefes Schlagzeugreiben weckte die Vorstellung, am hinteren Bühnenrand verberge sich ein großes konturloses Monster. Ob das Zischen und Fauchen von diesem Monster kam oder ob noch ein weiteres auf der Bühne lag, wurde mit dem Einsatz der auf der rückwärtigen Empore platzierten Blechbläser gleichgültig: Sie vertrieben alle dunklen Vorstellungen mit einer großen Fanfare. Um sie zu koordinieren, zeigte sich Guggeis dem Publikum von vorn. Von einem soghaften Puls getragen tönten weitere Blechbläser von den Balkonen herab. Besonders gelungen war gegen Ende der diffuse Klangschatten, den kräftige Schlagzeugschläge nach sich zogen. Zu schade, dass das Stück nach vier Minuten vorbei war!

Thomas Guggeis lässt Mozart-Klänge schmelzen

Die folgende kleine Nachtmusik von Mozart war überraschend groß besetzt. Der Beweglichkeit des Klangkörpers tat dies jedoch keinen Abbruch: Die Phrasierungen waren leicht, locker und trocken, während die große Besetzung für lieblich weichen Klangschmelz sorgte. Guggeis‘ Dirigierstil wirkte animierend, dabei durchaus Freiheiten lassend und schlackenlos klar.

Mahlers Siebte

Die Aufführung von Mahlers Siebter Symphonie machte immer wieder Herzklopfen. Das Changieren zwischen zur Schau gestellter überschwänglicher Freude und darunter lauernder Angeschlagenheit, zwischen gespielter Unschuld und Ironie, von Heurigenseligkeit und Trauermarsch, von Lieblichkeiten und Dämonischem kam gut zum Ausdruck. Die Bewegungsimpulse der einzelnen Instrumente waren gut herausgearbeitet, die energetische Entwicklung war in sich geschmeidig und folgerichtig. Sehr angemessen auch die lange Pause zwischen dem zweiten „Nachtstück“ und dem Rondo-Finale mit seinen Wechseln von Parforceritten und intimen kammermusikalischen Momenten. Mandoline und Gitarre hört man im zweiten „Nachtstück“ so gut wie nie, bei Guggeis, der hier eine gesellschaftliche Parallele sieht, schon, ebenso wie andere leicht zu übertönende Instrumente, wie die Harfe oder die entfernten Herdenglocken. Das Publikum revangierte sich mit jubelndem Beifall.

DORIS KÖSTERKE
17.9.23

Vgl. auch: