In barocken Triosonaten aus England widmete sich das Ensemble Diderot beim Mainzer Musiksommer musikalischen Beziehungen der Insel zum europäischen Festland, insbesondere zu Italien.
Die 1683 erschienenen „12 Sonata‘s in III parts“ von Henry Purcell waren der erste bewusste Versuch in England, sich den italienischen Stil kompositorisch anzueignen, den Purcell durch Eleganz, Ernsthaftigkeit und Würde der „Frivolität und Balladerei unserer Nachbarn“ überlegen fand. Die sechste Sonate aus dieser Sammlung öffnete den „Buchdeckel“ des Konzerts in der Mainzer Antoniuskirche. Geschlossen wurde er er von der Sechsten der erst posthum veröffentlichten „Ten Sonata’s of four parts“ für die gleiche Besetzung. Das fünftaktige Bass-Schema aus deren Chaconne begleitete als Ohrwurm durch die Nacht.
Englands Anziehungskraft auf ausländische Musiker zeigte der vierköpfige Kern des Pariser Ensembles in Werken der gebürtigen deutschen, in England heimisch gewordenen Komponisten Gerhard Diessener und „Godfrey“ Keller, sowie in den Ayres for the violin von Nicola Matteis: der gebürtige Italiener soll mit der Geige im Rucksack über Deutschland nach England eingewandert sein, wo er über sechzig Jahre lang als Geiger, Lehrer und Komponist wirkte. Er „ließ die Geige sprechen wie eine menschliche Stimme“, hatte ein Zeitgenosse über ihn geschrieben, ein Ideal, das auch Pramsohler in rezitativischen und aussingenden Partien erkennen ließ. Bezeichnend für das gesamte Konzert schien die sparsame Anwendung der Verzierungen: gezielt dosiert war ihr Ausdrucksgehalt, wie auch der der immer wieder unerwartete Wendungen nehmenden Melodien umso wirkungsvoller.
Typisch englisch schien die möglicherweise durch Ciacona und Passacaglia geweckte Vorliebe für endlose Variationen über einem gleichbleibenden Bass. Als deren Reinkultur spielte Philippe Grisvard Purcells „Ground“ auf dem Cembalo: so organisch, dass sie sich unwillkürlich im Vorbewussten einnisteten.
Ein Markenzeichen des Ensembles war die geschmeidige Form des Miteinanders: insbesondere Cellistin Gulrim Choi und Cembalist Philippe Grisvard zeigten eine phänomenale Aufmerksamkeit im gemeinsamen Atmen mit den jeweiligen Solisten. Wenn die beiden Geiger Johannes Pramsohler und Roldán Bernabé zusammenspielten, waren ihre Klänge oft kaum voneinander zu unterscheiden. Und doch spürte man eine angenehm erfrischende Spannung zwischen den vier Musikerpersönlichkeiten.
DORIS KÖSTERKE
18.08.2019