„Goethe und die Musik“ ist die siebte Goethe-Festwoche überschrieben. Bei der Eröffnung im Frankfurter Goethe-Museum tagte eine vergnügliche Gesprächsrunde aus vier promovierten Musikwissenschaftlern, moderiert von Julia Cloot. Die ungeheure Zahl allein an Faust-Vertonungen? „Vorsicht!“, mahnte Friederike Wißmann: Von Liedern abgesehen beschäftigten sich die meisten Komponisten darin weniger mit Goethe als ganz allgemein mit dem im 16. Jahrhundert aufgekeimten Faust-Stoff, sagte die an der Schnittstelle zwischen Literatur und Musik forschende Bonner Professorin. Peter Gülke regte an, sich Goethes Tonlehre einmal auf rein philosophischem Wege zu nähern, ohne sie gleich mit natur- oder musikwissenschaftlichen Mitteln von der Hand zu weisen.
Vierter der Runde war Gordon Kampe, dessen Auftrags-Komposition „lichtverzwickt“ an diesem Abend ihre Uraufführung erlebte. Wie er darangegangen sei? Textvertonung sei seine Sache nicht, antwortete der gelernte Hamburger trocken. Auf der Suche nach einer höheren Abstraktionsebene als Ansatz für seine Komposition habe er sich Goethes Farbenlehre vorgenommen, vor deren Umfang und Schreibstil unter dem Zeitdruck des Auftrags bald kapituliert und sich dann einem Physikbuch zugewandt, das Goethes Farbenlehre mit der von Newton in Beziehung setzte. Grundsätzlich liege es auch ihm näher, die Spektren des Lichts in einem dunklen Wald statt im Dunkelkammerversuch auf sich wirken zu lassen, sagte Kampe, dessen Musik mit unmittelbar körperlich wirksamen Mitteln arbeitet. Um sich gegen jeden Esoterik-Verdacht zu schützen, habe er dunkle Farben gewählt: Englischhorn, Bassklarinette, Fagott, Viola, Violoncello und Kontrabass flankieren Horn und Posaune. Der Beginn wirkte wie das Sich-Anbahnen eines Erdbebens: Klangplatten scheinen sich gegeneinander zu verschieben, ineinander zu verzahnen, aufzutürmen und dann in einen Rhythmus aufzubrechen, dessen Sog man sich unwillkürlich anvertraut und zugleich darüber lachen möchte: Wie die einzelnen Soli, die sich immer wieder aus dem Kollektiv herausschälen und klanglich bisweilen an das Gezeter menschlicher Stimmen erinnerten. Auf den Humor in seiner Musik angesprochen, hatte Kampe einmal an „das bittere Lachen von Franz Kafka“ erinnert. Das für ihn charakteristische Umschlagen von einer Ebene in eine andere, von Albernheit in Tiefsinn und zurück, spürte man in ruhigen Klangflächen, über denen es sich Fata-Morgana-ähnlich zu spiegeln begann und in Klangfarben, bei denen man sich irritiert fragte, welches Instrument sie hervorbrachte. Humor spürte man auch in wiederholten Schlusswirkungen, die sich jeweils als Neuansatz entpuppten, der beim dritten Mal tatsächlich zum Schluss führte. (Hatte Goethe eigentlich Humor?)
Im gleichberechtigten Miteinander in Beethovens Septett op. 20 haten sich die sieben starken Persönlichkeiten aus dem Ensemble Modern die Bravos redlich verdient.
DORIS KÖSTERKE
6.9.2018