Auf dieses Konzert hatte man sich schon lange gefreut: Das französische Ensemble Solistes XXI sang Vokalmusik aus der Zeit, in der viele Häuser der rekonstruierten Frankfurter Altstadt entstanden sind, kombiniert mit der Musiksprache des zwanzigsten Jahrhunderts, gekrönt vom in strahlende Klänge gefassten Ewigen Licht im Lux Aeterna von György Ligeti. Vor dem Altar stehend brachten vier Männer, darunter ein wunderbar klarer Countertenor, den Dom zum Mitsingen in der Motette O vos omnes von Tomás Luis de Victoria: Ihr, die ihr durchs Leben geht, was ist euer Schmerz gegen den Meinen?
Gedenken an verschwundene argentinische Künstler
Eingefügt in die Sätze der Messe, die Josquin Desprez auf die Melodie der Chanson L’homme armé geschrieben hat erklang, als zweiter Höhepunkt des Konzerts neben Ligetis Lux aeterna, die Komposition ¿Donde estás hermano?, die Luigi Nono 1982 im mahnenden Gedenken an verschwundene argentinische Künstler schrieb. Dirigiert von Christophe Grapperon sangen vier Frauen von je einer Säule der Vierung aus. Die Komposition füllt runde acht Minuten mit rhythmisierten, spannungsvollen Liegeklängen, mit nur einem kurzen schmerzlichen Aufschrei, sonst mit ruhig beharrender, ausstrahlungsreicher Zuversicht.
Der Dom singt mit
Sechzehn Gesangssolisten, von zartschmelzenden hohen Frauenstimmen über tragfähige Binnenstimmen zu schwarzen Bässen, sangen zwei folkloristische inspirierte Kompositionen von György Ligeti, Magány und Pápaïné, spielten im Benedicam Dominum von Andrea Gabrieli in kontrastierenden Klanggruppen mit der Akustik des Domes und ließen über klar gespannte Bögen die in sich tragfähigen musikalischen Konstruktionen aus der Blütezeit der Vokalpolyphonie erleben.
Musizierhaltung
Man war beeindruckt von den klaren, vibratofrei intonationssicheren Stimmen, fragte sich, warum man nicht restlos begeistert war und fand die Antwort in der Musizierhaltung: Strahlende Augen machen strahlende Stimmen, aber die hier blickten ernst, auch in den Werken, die das besungene Unschöne der Welt in Schönheit aufhoben, als wollten sie sagen: Wir sind sehr gut, aber es darf uns keinen Spaß machen. – Warum eigentlich nicht?
DORIS KÖSTERKE
29.9.18